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02 - Die ungleichen Schwestern

02 - Die ungleichen Schwestern

Titel: 02 - Die ungleichen Schwestern
Autoren: Marion Chesney
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Palmers
Auftauchen in der Clarges Street 67 hatte niemand auch nur im geringsten
gerechnet. Weder Rainbird noch einer der anderen Diener hätte erwartet, dass er
sich bei einem solchen Wetter auf die Straße wagte.
    Es war
tagelang ununterbrochen Schnee gefallen, und dann hatte es scharfen Frost
gegeben, so dass es unter den Füßen der Londoner, die durch die eisige Kälte
eilten, knirschte. Ein beißender Wind aus Nordost hatte den Nebel verscheucht.
Auf dem stahlgrauen Wasser der Themse trieben Eisblöcke dahin.
    Glücklicherweise
hatte MacGregor die stämmige Gestalt des Verwalters schon in der Bolton Row
erspäht und war herbeigeeilt, um die anderen vor seiner bevorstehenden Ankunft
zu warnen. Das prasselnde Küchenfeuer war mit einem Eimer Wasser gelöscht
worden, und sie hatten die Hintertür geöffnet, um den Essraum der Diener und
die Küche auszukühlen. Palmer wußte nämlich genau, dass sie kein Geld für
Kohlen hatten, und würde sofort fragen, woher sie stammten.
    Lizzie,
fast vollständig wiederhergestellt, war bereits aus dem Schlafzimmer im ersten
Stock ausgezogen. Dennoch eilten Alice und Jenny wie der Blitz hinauf, um sich
zu überzeugen, dass auch nicht die kleinste Spur von der Patientin zu sehen
war. Der Wind hatte sich ganz plötzlich gelegt, und die Sonne zog als blasse
Scheibe über den Himmel, als Jonas Palmer auf der Eingangstreppe stand und sich
den Schneematsch auf dem Eiskratzer, der in die Hauswand eingemauert war, von
den Stiefeln kratzte. Er betätigte den Messingtürklopfer energisch und zappelte
dann nervös vor der Haustür herum, während er in der Eingangshalle eilige Füße
hin und her gehen hörte.
    Schließlich
öffnete Rainbird die Tür. Er wirkte nicht im geringsten überrascht, als er
Palmer sah, und der Hausverwalter erriet, dass die Dienerschaft vorgewarnt war.
Palmer stapfte ärgerlich an dem Butler vorbei in den vorderen Salon im
Erdgeschoß. Durch die Eisblumen am Fenster drang gedämpftes weißes Licht
herein, und der Raum war so kalt wie ein Grab.
    »Die
Fenster werden noch vor Kälte springen, wenn Sie das Haus nicht anständig
heizen«, brummte Palmer mürrisch. Er war ein kräftiger Mann, der mit seinem
grobschlächtigen roten Gesicht wie ein Bauer aussah. Aus seinen Nasenlöchern
und auf seinen Wangen sprießten kleine graue Haarbüschel.
    »Sie
haben uns kein Geld für Brennmaterial gegeben, und Kohle ist teuer«, gab
Rainbird zu bedenken.
    Palmer
starrte zu Boden.
    »Wenn
ein Mieter kommen sollte, der sich das Haus erst einmal ansehen will«, fuhr
Rainbird fort, »dann könnte es sein, dass er es allein schon wegen der Kälte
nicht haben will.«
    »Ihr
habt einen harten Winter gehabt, was?« grinste Palmer.
    »Wie
alle anderen auch.«
    »Ich
kümmere mich darum, dass ihr Kohlen bekommt, denn das Haus ist vermietet.«
    Rainbird
zeigte keinerlei Gefühlsregung.
    »Es
handelt sich um feine Leute«, sagte Palmer. »Ein Captain Hart mit Frau und zwei
Töchtern. Aber das Problem ist, dass nicht genug Schlafzimmer da sind.«
    »Es
sind genug«, sagte Rainbird. Im ersten Stock war neben dem Speisezimmer ein
Schlafzimmer, und im zweiten
    Stock
waren noch einmal zwei.
    »Mrs.
Hart bringt eine französische Zofe mit, was ja jetzt ganz modern ist, und
wünscht, dass sie ein eigenes Zimmer, getrennt von den gewöhnlichen Dienern,
bekommt.«
    »Dann
geht es nicht«, sagte Rainbird zu seiner eigenen Überraschung, »es sei denn,
die Töchter teilen sich ein Zimmer und geben das andere im zweiten Stock an das
Mädchen ab. Ich nehme an, dass Mr. und Mrs. Hart das große Schlafzimmer neben dem
Speisezimmer haben wollen.«
    »Von
den Töchtern muss jede ihr eigenes Zimmer haben«, sagte der Verwalter. »Deshalb
wird Mrs. Middleton ihren Salon aufgeben müssen.«
    Mrs.
Middleton, die Haushälterin, hatte einen kleinen gemütlichen Salon auf halbem
Wege zur Küche hinunter. Er war ihr ganzer Stolz und ihre Freude, aber Rainbird
wußte, dass nicht einer von ihnen in der Lage war, abzulehnen. Sie hatten alle
einen Mieter für die Saison bitter nötig.
    »Und
die Harts sind die einzigen Bewerber?« fragte er.
    »Die
einzigen, die ich nehme«, sagte der Verwalter. »Sie zahlen im voraus.«
    Mrs.
Hart war von Lady Doyle dazu geraten worden, falls es sich herausstellen
sollte, dass das Haus 8oo statt So Pfund kosten sollte. »Zahlen Sie im voraus«,
hatte Lady Doyle gedrängt, »und lassen Sie sich den Mietvertrag schicken, dann
können sie nicht mehr zurück, wenn sie sich geirrt
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