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02 - Die ungleichen Schwestern

02 - Die ungleichen Schwestern

Titel: 02 - Die ungleichen Schwestern
Autoren: Marion Chesney
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sich über den Teetisch,
um die Kanne wieder hinzustellen; die Flammen im Kamin ließen die schwere
Diamantkette um ihren Hals funkeln und blitzen.
    »Ich
habe Ihnen doch von Sally, Lady Jersey, erzählt?« fragte Lady Doyle.
    »Ja,
ich erinnere mich.«
    »Eine
liebe Freundin. Wir sind die dicksten Busenfreundinnen. Ein Wort von mir
genügt, und Lady Jersey wird sich um Eintrittskarten für Euphemia kümmern.«
    »Zum
Ball im Almack?« fragte Euphemia atemlos.
    »Im
Almack«, bestätigte Lady Doyle.
    Im
Almack, in diesem Tempel der oberen Zehntausend, fanden während der Saison
jeden Mittwoch Ballfeste statt. An einem Ball im Almack teilzunehmen,
bedeutete, dass man oben war, dass man dazugehörte.
    »Es muss
etwas faul an dem Haus sein«, meinte Mrs. Hart vorsichtig. »Achtzig Pfund! Und
Diener!«
    »Es
könnte ein Druckfehler sein«, gab Lady Doyle zu, »aber wer nichts wagt, der
nichts gewinnt, wie mein lieber Gatte zu sagen pflegte.«
    »Wir
brauchen keine Stadtdiener«, sagte Mrs. Hart. »Ich möchte meine nicht
hierlassen, sie würden sich nur den Bauch vollschlagen und nichts arbeiten.«
    »Aber
die Dienerschaft in Mayfair gehört fest zum Haus«, gab Lady Doyle zu bedenken.
»Außerdem«, fügte sie hinzu, »können Sie Ihr Haus hier an irgendeine vornehme
Familie vermieten, die sich nach Seeluft sehnt.« Zwölf Meilen entfernt rollte
die verdrießlich-graue See gegen den kiesigen Strand von Brighton, aber
wer wollte denn so kleinlich sein.
    »Ich
habe immer gezögert, die Kosten einer Saison auf mich zu nehmen«, sagte Mrs.
Hart, während sie schon fieberhaft die Möglichkeit erwog, ihr Haus mit gutem
Gewinn zu vermieten. »Was mich zurückhielt, war der Mangel an Verbindungen.«
    »Aber
Sie haben doch meinen Bekanntenkreis«, betonte Lady Doyle mit Nachdruck. »Kenne
ich etwa die Countess Lieven und Mr. Brummell nicht persönlich … den lieben
George, der sich mit meinem seligen Harry geduzt hat?« Daraufhin hüstelte sie
vornehm und wischte sich die Kuchenkrümel vom Reifrock. jetzt wird sie
irgendwie aus Mama Geld herauslocken, dachte Jane, die dieses Husten schon von
jeher kannte. Es leitete immer eine heikle Bitte um eine Spende für diese oder
jene wohltätige Sache ein. Jane fragte sich, manchmal, ob das Geld nicht in
Lady Doyles Retikul wanderte und dort blieb.
    »Natürlich»,
sagte Lady Doyle mit breitem Lächeln, »ist das mit gewissen ganz kleinen
Ausgaben verbunden. Die Angehörigen der feinen Gesellschaft, die uns so lieb
sind, erwarten zum Dank kleine hübsche Geschenke. Wenn Sie es jedoch mir
überlassen wollen, die Sachen auszusuchen, denn ich kenne ja den Geschmack
jedes einzelnen, und mir das Geld geben, dann will ich die Geschenke per Boten
schicken - mit einer Karte von Ihnen.«
    Mrs.
Hart zuckte zurück, aber in ihrer Brust war das Feuer des Ehrgeizes bereits
entfacht. »Ich will Sie mit jedem Betrag, den Sie für nötig halten,
ausstatten«, sagte sie mit einem so schmerzlichen Ausdruck auf ihren verblühten
Zügen, als ob sie eine Amputation erwägen müsste.
    Lady
Doyles blasse Augen wanderten von der nun leeren Kuchenplatte zum Fenster, vor
dem der Schnee in dichten, großen Flocken fiel. »Ach du meine Güte! Ich muss
gehen«, rief sie. »Bitte klingeln Sie nach meiner Kutsche. Sie werden
feststellen, Mrs. Hart, dass jeder Pfennig, den Sie mir für Geschenke geben,
gut angelegt ist. Für Jane allerdings ist es nicht notwendig, sich in Unkosten
zu stürzen. Sie hat absolut keine Chancen.«
    Euphemia
ließ ihr charmantes, perlendes Gelächter hören und schaute Jane von der Seite
an; dann runzelte sie die Stirn. Denn Jane sah überhaupt nicht gekränkt aus.
    Jane
war in einen Traum verloren.
    Denn
wenn sie nach London gingen, könnte es sein, dass sie ihn wiedersah.
    Dass er
nach acht langen Jahren verheiratet sein könnte, kam ihr gar nicht in den Sinn.

    Sie hatte Beau
Tregarthan zum ersten Mal im Sommer des Jahres 1800 gesehen, als sie zehn Jahre
alt gewesen war, und seitdem hatte sie nicht mehr aufgehört, von ihm zu
träumen.
    Das
sonst so verschlafene Dorf Upper Patchett war damals wegen des großen
Boxkampfes, der in den Hügeln stattfinden sollte, von lärmender Geschäftigkeit
erfüllt. Sir Bartholomew Anstey wollte seinen Kandidaten, Jack Death, gegen
einen unbekannten Gegner, der von Beau Tregarthan angekündigt und gefördert
wurde, in den Ring schicken. Die Wetten standen zehn zu eins für Jack Death,
auch wenn es manche liebend gerne gesehen hätten, wenn einer es dem
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