Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
02 - Die ungleichen Schwestern

02 - Die ungleichen Schwestern

Titel: 02 - Die ungleichen Schwestern
Autoren: Marion Chesney
Vom Netzwerk:
betrübt, dass sie ihr Leben als alte
Jungfer verbringen müsse, denn ohne Geld bestand wenig Hoffnung auf Heirat.
    Lady
Doyle war im Moment unten im Salon, da sie zum Tee eingeladen war. Jane
seufzte. Ihre Mutter konnte nicht verstehen, dass jemand eine so bedeutende
Persönlichkeit wie Lady Doyle nicht mochte, und würde sich bestimmt schon über
ihre Abwesenheit ärgern.
    Jane
stand auf, schürzte den langen Rock ihres Kleides ein Erbstück von Euphemia -
und machte sich widerstrebend auf den Weg nach unten. Auf dem Treppenabsatz war
ein langes schmales Fenster. Als Jane hinausschaute, sah sie, dass es in großen
federleichten Flocken zu schneien begann. Lady Doyle würde ohne Zweifel ihren
Besuch abkürzen, damit sie zu ihrem Haus am anderen Ende des Dorfes Upper
Patchett zurückfahren konnte, bevor das Wetter noch schlechter wurde.
    Das
Stimmengemurmel aus dem Salon wurde durch die Verkleidung der dicken Eichentür
gedämpft. Jane stieß die Tür auf und ging hinein. Ihr Vater saß auf der einen
Seite des Kamins und klopfte, in die Flammen starrend, schlechtgelaunt die
Fingerknöchel aneinander. Auf der anderen Seite saß Lady Doyle, die einen
Feuerschirm an einem langen Stab hielt, um ihr Gesicht vor der Hitze der
Flammen zu schützen.
    Es war
ein langgezogenes, gekrümmtes Gesicht - wie das Spiegelbild eines
Gesichts in einem Esslöffel. Sie trug immer noch altmodische Reifröcke und
puderte ihr Haar. Das sah man allerdings nur an einer kleinen widerspenstigen
Strähne, denn das übrige Haar war mit einem gestärkten Rüschenhäubchen bedeckt,
auf dem wiederum ein breitrandiger Biberhut thronte. Ihre großen Zähne waren
sehr weiß und kräftig, aber teilweise abgebrochen. Der Widerschein des Feuers
flackerte auf der goldenen Stickerei ihres Samtkleides und funkelte auf den
schweren Ringen an ihren langen knochigen Fingern.
    Mrs.
Hart drehte sich um, als Jane das Zimmer betrat, und warf ihrer Tochter einen
kurzen missbilligenden Blick zu, begleitet von einem Stirnrunzeln. Ihre
einstmalige Schönheit war nur noch in blassen Andeutungen vorhanden - in
der Anmut ihrer Bewegungen und auch in der Art, wie sie lächelnd oder
schmollend die Lippen verzog. Aber zuviel bleihaltige Schminke hatte ihre Haut
narbig gemacht, und vor Enttäuschung war ihr Gesichtsausdruck verdrießlich
geworden. Obwohl sie es nicht zugeben wollte, war ihr Mund einst so üppig wie
der von Jane gewesen, aber Jahre, in. denen sie die Lippen gespitzt hatte, um
ihn der Mode gemäß zu verkleinern, ließen sie ständig aussehen, als ob sie
gerade vorhätte zu pfeifen, und ein Kranz feiner Falten umgab ihren Mund.
    Euphemia
warf einen gleichgültigen Blick auf ihre Schwester. Dann machte sie sich wieder
daran, ihre Pose zu üben, nämlich die »Verträumte Schöne«. Dazu musste man die
Augen zur Decke erheben, während die Spitze des Zeigefingers auf der Wange
ruhte.
    Jane
setzte sich still in eine Ecke und faltete die Hände ergeben im Schoß. Wenn sie
Glück hatte, entging sie Lady Doyles boshafter Aufmerksamkeit. Lady Doyles
nächster Satz sank wie ein schwerer Stein in das Schweigen, das eingetreten
war, als Jane das Zimmer betreten hatte.
    »Ich
habe in der Zeitung gelesen, dass in der Clarges Street ein Haus für die Saison
vermietet wird. Eine erstaunlich niedrige Miete. Ich habe mir gedacht, dass es
doch wirklich eine Schande wäre, eine Schönheit wie Euphemia, die einen Duke
heiraten könnte, an die Landluft zu verschwenden.«
    Jane
fiel der Schnee ein. »Es beginnt heftig zu schneien«, wagte sie einzuwerfen,
aber weder Euphemia noch ihre Mutter schenkten ihr die leiseste Aufmerksamkeit.
Euphemias große Augen waren jetzt mit einem Ausdruck gieriger Hoffnung auf Lady
Doyles hartes Gesicht geheftet. Mrs. Hart stand wie versteinert da, die
silberne Teekanne in der Hand. »Wie viel?« fragte sie.
    »Achtzig
Pfund, und in dem Preis ist die Möblierung und geschultes Personal schon
eingeschlossen.«
    »Clarges
Street«, überlegte Mrs. Hart. »Eine Nobeladresse. Sie verläuft doch vom
Piccadilly zur Curzon Street, nicht wahr?«
    Lady
Doyle nickte. »Ganz zentral gelegen«, sagte sie und bediente sich mit dem
letzten Stück Kümmelkuchen. »Ich habe Ihnen ja schon gesagt«, fuhr sie mit
vollem Mund fort, »dass ich mit meinen Verbindungen eine gute Partie für
Euphemia garantieren könnte.«
    Mr.
Hart stand auf und verließ das Zimmer. Keiner, außer Jane, bemerkte, dass er
ging.
    »Ich
bin keine reiche Frau, und doch ...« Mrs. Hart beugte
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher