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Kirmes des Todes

Kirmes des Todes

Titel: Kirmes des Todes
Autoren: Kurt Lehmkuhl
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Kirmes-Schmitz
     
     
     
    „Sie sind doch Journalist, oder?“
    „Ja“, knurrte Bahn ungehalten. Er mochte es überhaupt nicht, wenn ihn jemand in seiner Mittagspause anquatschte, während er mit einem Schinkenbaguette in der Hand durch die Fußgängerzone bummelte und in die Schaufenster schaute. Und er mochte es noch weniger, wenn ihn jemand von hinten ansprach.
    „Das ist doch wohl nicht verboten, oder?“, meinte er kauend, während er sich langsam umdrehte.
     
     
    Bahn erblickte einen älteren, schäbig gekleideten Mann, einen heruntergekommenen Penner. Trotz der hochsommerlichen Temperaturen Mitte Juli trug der unrasierte, langhaarige Mann einen viel zu großen, abgewetzten Lodenmantel, in dem er sich fast schon versteckte. Er hielt eine Flasche Metaxa in der Hand.
    Der kann am Pegel der Flasche ablesen, wieviel Uhr wir haben, dachte Bahn zynisch, darauf gefaßt, daß der Penner ihn gleich um ein Almosen anhauen würde. Instinktiv nestelte er in seiner Lederjacke herum, um vielleicht ein Geldstück zu finden.
    Der Penner stierte Bahn lange mit großen, tiefliegenden Augen an, ohne etwas zu sagen.
    „Was soll das?“ Bahn reagierte herrisch. Er hatte es wahrlich nicht nötig, sich mit einem derartigen Typen abzugeben. „Willst du Geld, oder was?“
    „Kennen Sie mich denn nicht mehr, Herr Bahn?“ Höflich und unsicher fragte ihn der Penner. Mit zitternden Händen führte er die Flasche an den Mund und nahm einen kräftigen Schluck. Zweifelnd und ängstlich blickte er Bahn an.
    Bahn war verwirrt. „Keine Ahnung, woher soll ich Sie denn kennen?“ Er musterte den vorsichtigen Alten, der die abschätzenden Blicke geduldig ertrug. „Nein. Woher soll ich Sie denn kennen?“
     
     
    Bahn biß in sein Baguette und blickte sich verstohlen um. Ein Gespräch mit einem Penner auf offener Straße mitten in der bevölkerten Dürener Einkaufspassage war nicht gerade nach seinem Geschmack. Auch war es ihm unangenehm, von Vorübergehenden mit diesem zersausten Zeitgenossen gesehen und eventuell sogar erkannt zu werden. Er war der Ansicht, förmlich die Blicke der Bürger auf sich zu ziehen, und manchen, der ihn anstarrte, glaubte Bahn zu kennen. Der Störenfried gehörte einfach nicht zu seinem gesellschaftlichen Umfeld. Immerhin war der Journalist nicht unbekannt in Düren und er achtete dementsprechend auf sein Image.
     
     
    Wieder musterte er den verhärmten Penner. Irgendwie, die Augen, dachte sich Bahn. An solche Augen erinnerte er sich gelegentlich. Vielleicht habe ich ihn doch schon einmal gesehen.
    Auch wenn er sich innerlich sträubte, seine Neugierde hatte der Unbekannte geweckt.
     
     
    „Sie kennen mich garantiert“, meinte der Alte überzeugt. „Von der Annakirmes, Herr Bahn.“ Er lächelte kurz. „Klingelt’s jetzt?“ Der Journalist schüttelte verneinend den Kopf. „Tut mir leid. Ich weiß wirklich nicht, wohin ich Sie stecken soll.“
    Die Annakirmes, das war so etwas wie seine zweite Heimat, da glaubte Bahn, sich bestens auszukennen. Die Dürener Annakirmes war das größte Volksfest zwischen Köln und Aachen mit einer großen Tradition und ständig neuen Attraktionen. In jedem Jahr kamen bis zu einer Million Besucher an den acht Kirmestagen von nah und fern auf den Platz an der Rur.
    Helmut Bahn und die Annakirmes, das gehörte zusammen wie Pech und Schwefel oder Hansel und Gretel. Als Redakteur des Dürener Tageblatts hatte er schon seit mehr als zehn Jahren über die Annakirmes geschrieben. Er kannte viele Schausteller persönlich und hatte manche gesellige Nacht in den Wohnwagen von Kirmesbeschickern versoffen. Wenn es galt, in der Lokalzeitung über den Rummel zu berichten, da lief Bahn zur Hochform auf, da gingen aber auch manchmal die Pferde mit ihm durch in seiner Begeisterung.
     
     
    Kirmes und Karneval, das war seine journalistische Welt. Da gab es niemand in Düren, der ihm das Wasser reichen konnte. Er wurde von den Schaustellern respektiert, ihm gewährten sie gerne einen Blick hinter die Kulissen. Das hatten in den letzten Jahren zähneknirschend auch seine Kollegen der beiden lokalen Konkurrenzblätter, Dürener Zeitung und Dürener Nachrichten, akzeptiert.
    Bahn engagierte sich als Redakteur und als eingeschworener Dürener für die Kirmes. Er hatte im Laufe der Jahre die Akteure und Besucher, die Betreiber der Fahrgeschäfte ebenso wie die Inhaber der Losbuden oder die vielen, oft wechselnden Gastronomen kennengelernt, und er hatte mit eigenen Ideen dazu beigetragen,
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