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0069 - Das Gericht der Toten

0069 - Das Gericht der Toten

Titel: 0069 - Das Gericht der Toten
Autoren: Hans Wolf Sommer
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eigentlich nur noch darum, den nächsten Tag und die nächste Nacht möglichst ohne größere Anstrengungen und Aufregungen herumzubekommen. Sie hatten ihr Ziel erreicht: Die Beschwörungsformel, die Nicole wieder zu einem normalen Menschen machen würde, war in ihrem Besitz. Und nach Ablauf der drei Tage und Nächte der Ewigkeit würden ihre Körper in New York zu neuem Leben erwachen und ihre Kaas wieder in sich aufnehmen.
    »Schlafen wir etwas«, schlug Bill vor.
    »Auf diese Weise geht die Zeit am schnellsten vorüber.«
    Zamorra fand den Vorschlag gut, zumal ihn der Kampf mit Neferptah doch angestrengt hatte. Der Kaa spürte physische Beanspruchung nicht weniger als der menschliche Körper.
    So legten sie sich in eine Ecke und schliefen. Daß Sekere die Gelegenheit benutzten würde, um sich des Dämonenmessers zu bemächtigen, fürchtete der Professor nicht. Er hatte einen ungemein leichten Schlaf und würde sofort aufwachen, wenn sich jemand unsachgemäß an ihm zu schaffen machte.
    Sekere belästigte sie nicht. Aber auch ohne diese Störung schlief Zamorra nur sehr schlecht. Das Gefühl, irgend etwas Wesentliches übersehen zu haben, plagte ihn. Lange Zeit war es nur Gefühl, dann aber wurde auf einmal handfeste Ahnung daraus: Die Abschiedsworte Neferptahs waren es: »… wenn ihr auf immer in diesen Gefilden seid!«
    Der Pharao hatte ihm auf den Kopf zugesagt, daß Sekere und er unter einer Decke stecken, hatte also gewußt, daß sie freiwillig hier waren. Neferptah kannte die Ewigkeit der drei Tage und Nächte sicherlich ebenso gut wie der Amon-Priester. Folglich konnte er sich denken, daß ihre Körper in einem scheintoten Zustand im Diesseits ruhten. Hilflos gewaltsamen Attacken ausgeliefert!
    Heftig setzte sich Zamorra auf.
    Neferptah hatte im Diesseits einen Helfershelfer.
    Madhvakrishna!
    Er hätte sich ohrfeigen können, daß ihm diese Überlegung nicht früher gekommen war. Wenn ihre Körper getötet wurden, würden ihre Kaas tatsächlich auf immer in den Gefilden des Osiris’-schen Totenreichs verweilen.
    Ein erschreckender Gedanke!
    Zamorra lehnte sich wieder zurück, schloß die Augen. Konzentration, Konzentration! Er mußte Madhvakrishna finden, mußte herausfinden, was der Guru gerade tat.
    Er sandte seine Gedankenströme durch die Dimensionen, wie er es von Sekere gelernt hatte.
    Und er schaffte es wie zuvor. Er sah den Inder.
    Madhvakrishna war bereits in New York!
    Soeben verließ er den Flughafen, stieg in eine Taxe. Über sein Ziel konnte es kein großes Rätselraten geben.
    Eisig lief es Zamorra über den Rücken.
    Was konnte er tun? Was konnte er nur tun?
    Zusehen, wie Madhvakrishna seinen Körper tötete? Sich in das Bewußtsein des Guru versetzen und versuchen, ihm seine Absicht auszureden? Der Guru würde sich nur ins Fäustchen lachen.
    Sieh in das Bewußtsein eines Polizisten versetzen und ihm zu verstehen geben, daß ein Mörder unterwegs war? Der Polizist würde höchstwahrscheinlich ein paar Schnäpse kippen oder gleich zu einem Psychiater gehen.
    Was konnte er tun?
    Er weckte Bill. Der Freund kam schlaftrunken hoch, war aber sofort hellwach, als ihm der Professor erzählte, was los war. Audi ihn überkam das große Entsetzen.
    »Für immer in diesem Totenreich? Nein, es darf einfach nicht sein!«
    Fieberhaft überlegten sie. Zwischendurch nahm Zamorra erneut Kontakt mit Madhvakrishna auf. Seine Taxe näherte sich bereits dem Queens Midtown Tunnel.
    Nicht mehr weit…
    Dann plötzlich hatte der Professor eine Idee. Eine verzweifelte Idee, deren Ausführung möglicherweise das genaue Gegenteil des Angestrebten heraufbeschwören würde. Aber die Idee barg das Minimum einer Chance. Der letzten Chance!
    »Ich rufe Osiris!« sagte er.
    Bill riß sein Auge auf. »Was tust du?«
    »Ich rufe den Herrn dieses Totenreichs hier an. Nach dem Glauben der alten Ägypter ist Osiris ein gütiger Gott. Und wenn sein Totengericht uns auch reichlich hart vorkommt… Vielleicht weiß er gar nicht, daß einer oder mehrere seiner Dämonen gemeinsame Sache mit Neferptah machen? Vielleicht ist er doch gerecht und erweist sieh als dankbar, wenn wir ihn auf Fehler in seinem System aufmerksam machen?«
    »Du bist verrückt«, sagte Bill aus tiefster Überzeugung. Dann aber fügte er gedankenvoll hinzu: »Aber vielleicht hast du recht. Verrückten und kleinen Kindern passiert selten etwas.«
    Professor Zamorra rief Osiris. Seine stille Befürchtung, daß es der Gott als unter seiner Würde ansehen würde,
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