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0069 - Das Gericht der Toten

0069 - Das Gericht der Toten

Titel: 0069 - Das Gericht der Toten
Autoren: Hans Wolf Sommer
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alle Ewigkeit fortsetzen zu wollen. Schaaban kam sich vor wie ein gefangenes Tier.
    Dann, ganz plötzlich, verbreiterte sich der Kriechgang und gewann auch an Höhe. Schaaban konnte aufrecht stehen. Im Schein der Lampe erkannte er, daß sie sich jetzt in einer Art Kammer befanden. Rechts und links türmten sich die roh behauenen Wände des Felsens. Vor ihnen jedoch ragte eine Mauer auf. Eine künstliche Mauer, erbaut mit Ziegeln aus Nilschlamm.
    Was mochte sich dahinter verbergen?
    Ahmed, der Alte, der Erfahrene trat vor. Er hatte vorgesorgt, hatte sich die Mühe gemacht, einen schweren Hammer mit sich zu schleppen.
    Mit ernstem Gesicht überreichte er Schaaban das wuchtige Schlagwerkzeug.
    »Du bist kräftiger als ich, Schaaban«, sagte er. »Und es ist deine Entdeckung.«
    Zögernd nahm Schaaban den Hammer entgegen. Wieder überkam ihn die Unsicherheit, die leise Furcht vor dem Außergewöhnlichen, dem Unbekannten.
    Dann schüttelte er sich innerlich, holte weit mit dem Hammer aus und ließ ihn gegen die Ziegel krachen. Die Mauer war brüchig. Der Zahn der Zeit hatte die Bindungskraft des antiken Mörtels ausgehöhlt. Bereits der erste Schlag zeigte Wirkung, rang der Mauer einen Staubwirbel ab. Wieder und wieder schlug Schaaban zu. Die Ziegel lösten sich aus dem brüchigen Verbund, polterten in Bruchstücken auf den Boden herab. Ein breites Loch entstand in der Wand.
    Diesmal war es Ahmed, der den nächsten Schritt tat. Er steckte den Kopf durch die geschaffene Öffnung und leuchtete mit der Taschenlampe hinein.
    Die Grabkammer des Pharao lag vor ihm.
    ***
    »Na, Mr. Fleming, was sagen Sie?« Bill Fleming, der junge, blonde Kulturhistoriker sagte zuerst einmal gar nichts. Fasziniert blickte er auf den steinernen Sarkophag hinab, der zu seinen Füßen stand.
    Er war ein Mann, dem es die altägyptische Kultur stets besonders angetan hatte. Demgemäß kannte er sich aus mit den Relikten der Pharaonenzeit. Auf Anhieb hätte er schwören mögen, daß dieser Sarkophag echt war. Das augenscheinliche Alter des Steinsargs, die in Seitenwände und Deckplatte eingemeißelten Reliefs, die ungeheuer echt wirkenden Hieroglyphen – all dies machte einen so authentischen Eindruck, daß es ihm schwerfiel, an eine jener zahlreichen Fälschungen zu glauben, die kundige Spezialisten sammelwütigen Millionären unterjubelten.
    Audi Robert T. Seymour, seines Zeichens einflußreicher Ölindustrieller, war ein solcher sammelwütiger Millionär. Im Gegensatz zu den meisten seiner Gesinnungsfreunde ließ er sich jedoch nicht so leicht täuschen, obgleich sich seine Sachkenntnisse in engen Grenzen hielten. Wie im Geschäftsleben hatte Seymour beim Erwerb seiner Sammelobjekte einen sicheren Instinkt, und auch diesmal schien ihn sein Instinkt nicht getäuscht zu haben.
    »Wo haben Sie das her, Mr. Seymour?« fragte Bill und sah den schwergewichtigen, grauhaarigen Mann mit den listigen Augen scharf an.
    Seymour schmunzelte. »Sammlergeheimnis, Mr. Fleming. Sie werden nicht erwarten, daß ich Ihnen meine Quellen verrate, oder?«
    Nein, das erwartete Bill eigentlich wirklich nicht. Er wußte, daß es einen grauen Markt für archäologische Kostbarkeiten gab. Immer wieder stießen Einheimische in allen alten Kulturländern auf Zeugnisse der Vergangenheit, zufällig oder bewußt danach suchend. Und obgleich sämtliche Regierungen das Verschieben der Fundstücke unter strenge Strafe gestellt hatten, wanderten die Objekte doch immer wieder in dunkle Kanäle und wurden heimlich außer Lande gebracht, um dann eines Tages in den Sammlungen reicher Liebhaber wieder aufzutauchen.
    Robert T. Seymour hatte schon so manchen glücklichen Fischzug gelandet, und stets hatte er seinen Bekannten, den anerkannten Fachmann Bill Fleming gebeten, ein Werturteil über seine Neuerwerbungen abzugeben. Bill war nicht unbedingt ein Freund des grauen Marktes, aber er besaß genug Sinn für die Wirklichkeit, um klar zu erkennen, daß gegen solche Praktiken nun mal kein Kraut gewachsen war. Außerdem kam er auf diese Weise unmittelbar mit Kostbarkeiten in Berührung, die er sonst wahrscheinlich niemals zu Gesicht bekommen hätte.
    So wie beispielsweise mit diesem Sarkophag hier, den Seymour im Privatmuseum seiner Villa in Richmond aufgestellt hatte.
    Interessiert beugte er sich vor, um Relief und Inschriften genauer unter die Lupe nehmen zu können. Sein Herz schlug einen Takt schneller, als ihm klar wurde, daß die in den Stein eingemeißelte Figur mit größter
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