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0069 - Das Gericht der Toten

0069 - Das Gericht der Toten

Titel: 0069 - Das Gericht der Toten
Autoren: Hans Wolf Sommer
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Wie ein roter Feuerball stand die Sonne über dem Berg und schleuderte unbarmherzig Hitzepartikel zur Erde. Der schroffe Fels war heiß wie eine Herdplatte. Kein Windhauch bewegte die glutgeschwängerte Luft, die allem Lebenden das Wasser aus den Poren zog.
    Aber die drei Männer an der Westflanke des Hügels bemerkten die Schweißtropfen gar nicht, die ihnen über Gesicht und Körper rannen. Wie gebannt standen sie da und starrten auf die Spalte, die dunkel aus dem Kalkgestein hervortrat.
    »Recht hast du gehabt, Schaaban«, sagte der Älteste von ihnen, ein Fellache mit zahllosen Falten im sonnengegerbten Gesicht. »Dies könnte in der Tat der Eingang zu einem Königsgrab sein.«
    Der Angesprochene, ein scharfgesichtiger Mann, aus dem die Energie der Jugend sprach, nickte enthusiastisch.
    »Ich wußte es, Ahmed«, jubelte er.
    »Ich wußte es!«
    Der dritte Mann, altersmäßig zwischen den beiden anderen einzuordnen, machte eine zweifelnde Miene.
    »Aber wieso?« fragte er ungläubig.
    »Wieso hat man es bisher nie gefunden? Unzählige Schatzsucher und Archäologen haben jeden Quadratmeter des Berges abgesucht. Man hätte diesen Eingang längst finden müssen.«
    Ahmed lächelte wissend. »Du vergißt die Erdstöße der letzten Tage, Said. Tausende von Jahren hat Geröll den Eingang geschützt. Das Beben jedoch hat den Berg geschüttelt und den Spalt sichtbar gemacht.«
    Schaaban wurde ungeduldig.
    »Worauf warten wir noch?« drängte er. »Steigen wir hinab. Ich habe bereits eine Steinprobe vorgenommen. Der Schacht ist etwa fünfzehn Meter tief.«
    Der alte Mann bekundete sein Einverständnis, und dann trafen die drei Fellachen aus dem nahegelegenen Dorf El Ubari ihre Vorbereitungen.
    Die Schlinge eines langen Nylonseils wurde um eine vorspringende Felsnase gelegt und festgezurrt. Die mitgebrachten Gerätschaften, Taschenlampen, Spiegel, Hämmer, Spitzhacken, Spaten, wurden bereitgelegt.
    »Wer macht den Anfang?« fragte Ahmed.
    »Ich!«
    Schaaban wartete die Zustimmung der anderen gar nicht ab.
    Der junge Fellache nickte seinen beiden Begleitern zu. Dann ließ er seine Beine über den Rand der gut zwei Meter breiten Spalte gleiten und packte das baumelnde Seil mit beiden Händen.
    »Wünscht mir Glück«, sagte er.
    Anschließend hangelte er sich in die Tiefe hinab. Die Erdröhre erwies sich als verblüffend glatt. Kein Felsvorsprung, kein Grat behinderte sein Vorwärtskommen.
    Schließlich fanden seine Füße wieder Kontakt mit festem Untergrund.
    »Ich bin unten«, rief er seinen Freunden zu. Seine Stimme klang dabei eigentümlich hohl.
    Schaaban fingerte nach der Taschenlampe und knipste sie an. Er ließ den Lichtkegel über den Boden wandern.
    Zuerst war er bitter enttäuscht. Er hatte einen Gang erwartet, einen Gang, der waagerecht in den Berg hineinführte. Aber er sah keinen Gang. Nur Felsbrocken, die ihn von allen Seiten umringten.
    Dann aber kam ihm die Erleuchtung. Das Geröll, das den Schachteingang verdeckt hatte, war nach unten gepoltert, versperrte zwangsläufig jede Abzweigung.
    Schaaban ging in die Knie, um besser sehen zu können. Ja, so mußte es sein.
    Zwischen den Gesteinsbrocken ballte sich die Dunkelheit, ließ sich auch durch den Lichtschein der Lampe ihre Geheimnisse nicht entlocken. Zuerst mußte das Geröll zur Seite geräumt werden.
    Und dann…
    Wenig später waren auch Said und Ahmed zu ihm heruntergekommen.
    Vorher noch hatte sie die benötigten Gerätschaften abgeseilt. Gemeinsam machten sich die drei Fellachen daran, die Felsbrocken zur Seite zu räumen. Die Arbeit erwies sich als schwierig, denn im Schacht herrschte eine drangvolle Enge, und die Steine waren zentnerschwer. Nach einer Weile jedoch war es ihnen gelungen, eine Öffnung zu schaffen, durch die sie sich hindurchzwängen konnten.
    Ein langgestreckter Gang lag vor ihnen, viel zu lang, um sein Ende mit den Taschenlampen ausleuchten zu können.
    Der Gang war einen guten Meter breit und wies eine Kopfhöhe auf, die nicht einmal achtzig Zentimeter betrug. Im Schein der Taschenlampen sahen sich die Männer an. Eine gewisse Unsicherheit hatte sie befallen, ließ sie zögern, in die Dunkelheit einzudringen, in der sie nur kriechend vorwärtskommen konnten. Aber dann gab sich Schaaban einen Ruck, ging in die Knie und schob sich in den Gang, die brennende Taschenlampe in der ausgestreckten Hand.
    Entschlossen kroch er in den Berg hinein, gefolgt von seinen beiden Freunden.
    Der Gang schien kein Ende zu nehmen, schien sich bis in
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