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0069 - Das Gericht der Toten

0069 - Das Gericht der Toten

Titel: 0069 - Das Gericht der Toten
Autoren: Hans Wolf Sommer
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sich von einem Kaa anrufen zu lassen, war unbegründet.
    Ein Kreisnebel entstand. Größer, wallender, schillernder als gewohnt. Im Zentrum des Nebels zeigte sich der grüngesichtige Gott auf seinem Thron.
    »Wer erkühnt sich, mich zu rufen?« donnerte er mit Stentorstimme. Aber in seinen Augen, tief wie ein Bergsee, lag keine Todesdrohung.
    Zamorra berichtete. Er berichtete von Neferptah, dem tyrannischen Pharao, der sein Volk geknechtet hatte und doch ohne Blessuren ins Totenreich eingezogen war. Berichtete, daß Neferptah mit Dämonenhilfe einen privaten Rachefeldzug in Osiris Reich führte.
    Berichtete, daß Neferptah sich in die Geschicke des Diesseits einmischte und Mordaufträge erteilte. Und er berichtete von sich und Bill, offen, ehrlich und ohne alle Ausflüchte. Zum Schluß vertraute er sich der Gerechtigkeit des Gottes an und hielt ihm das Dämonenmesser als Zeichen seiner Aufrichtigkeit hin.
    Osiris nahm das Messer entgegen, sagte aber noch nichts. In seinen Augen blitzten Irrlichter.
    Zamorra beugte sich zur Seite, sah Bill an.
    »Sprich du weiter mit ihm«, sagte er. »Osiris ist ein Gott, dessen Macht über die Dimensionen hinausgeht. Erbitte die Gnade, daß er die Ewigkeit der drei Tage und Nächte vorzeitig für uns enden läßt.«
    Während Bill nickend seine Bereitschaft erklärte, konzentrierte sich der Professor wieder auf Madhvakrishna.
    Erschrocken stellte er fest, daß der Guru bereits, das Hochhaus erreicht hatte, in dem Flemings Wohnung lag. Jetzt stieg er die Eingangstreppen empor, ging zum Aufzug, wartete. Die Kabine kam, und der Inder trat ein. Schnell, viel zu schnell, glitt der Lift nach oben, hielt. Madhvakrishna stieg aus, ging mit zielsicheren Schritten den Korridor entlang, blieb vor Bills Wohnungstür stehen. Er griff in die Tasche und holte einen Bürstenschlüssel hervor. Die Tür sprang auf. Der Guru trat ein, schlich vorsichtig durch die Diele, erreichte den living room.
    Zamorra sah sich selbst und Bill auf dem Teppich liegen, sah wie Madhvakrishna ganz nahe an die reglosen Körper herantrat, wieder in die Tasche langte, triumphierend lächelnd einen Browning zückte und sich niederbeugte.
    Er schloß die Augen…
    … und öffnete sie wieder, sah wie sich die Browningmündung seiner Schläfe näherte.
    Gedankenschnell fuhren seine Hände nach oben, packten die Killerhand, drehten sie weg.
    Ein Schuß löste sich, traf den Mann aus Indien mitten in die Stirn.
    Mit einem Ausdruck unsagbaren Erstaunens, in das sich das nackte Entsetzen mischte, kippte Madhvakrishna zur Seite und blieb still in verkrümmter Haltung liegen.
    Bill Fleming hatte sich aufgesetzt. Leise pfiff er durch die Zähne.
    »Lieber Himmel, das war knapp!«
    Zamorra lächelte. »Alles nur, weil du so ein umständlicher Verhandlungsführer bist. Was hat Osiris gesagt?«
    »Gesagt hat er eigentlich nicht viel. Nur, daß einige Köpfe rollen werden und wir ruhig öfter mal vorbeikommen könnten, um seinen Saustall auf Vordermann zu bringen. Zu seiner Ehre muß ich erklä- ren, daß er sich allerdings etwas gewählter ausgedrückt hat.«
    Ganz plötzlich klatschte Bill in die Hände.
    Der Professor hob verwundert die Augenbrauen.
    »Was war das?« erkundigte er sich. »Spendest du dir selbst Beifall?«
    »Nicht eigentlich. Ich wollte nur mal ausprobieren, wie es ist, wenn man zwei Hände hat.«
    ***
    Einen Pluspunkt verdiente sich Neferptah, der inzwischen wahrscheinlich längst das große Vergessen im Nichts gefunden hatte, doch noch.
    Seine Formel gegen die Flüche der Ewigen Umnachtung war ein voller Erfolg.
    Kaum hatte Zamorra das letzte magische Zeichen vollendet, als sich Nicoles gräßlich verzerrtes Gesicht auch schon entspannte.
    Große, verwunderte Augen umfingen den Professor.
    »Chef, was ist passiert? Mir ist, als sei ich unendlich weit weg gewesen.«
    Zamorra beugte sich nieder und küßte sie sanft auf die Stirn.
    »Nicht so weit wie wir«, sagte er lächelnd.
    ENDE
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