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0107 - Die Geier und der Wertiger

0107 - Die Geier und der Wertiger

Titel: 0107 - Die Geier und der Wertiger
Autoren: Friedrich Tenkrat
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Was war los mit ihm? Hatte ihm der Whisky nicht gutgetan, den sie in der rauchigen Spelunke getrunken hatten?
    Das konnte sich Grogger nicht vorstellen, denn George McKammit war ein geeichter Trinker. Der konnte schon einiges hinter die Binde gießen, ohne umzukippen.
    Eine halbe Flasche konnte der leeren, ohne daß man ihm hinterher überhaupt etwas anmerkte.
    Deshalb konnte Grogger den derzeitigen Zustand des Freundes nicht verstehen. Soviel hatten sie doch gar nicht gepichelt.
    Na schön, einige Gläschen mehr als der Normalverbraucher verkraftet, waren es schon gewesen.
    Aber rechtfertigte das gleich unheimliche Todesahnungen? Auch Grogger blickte sich nun ängstlich um.
    Sie befanden sich im Hafen von Bombay.
    Es war Vollmond.
    Stille herrschte auf dem nächtlichen Kai. Grogger und McKammit waren in der Spelunke geblieben, bis man sie hinausgeworfen hatte.
    Und nun waren sie auf dem Weg zu ihrem Schiff, um sich in die Koje zu schmeißen und für den Rest der Nacht eine Mütze voll Schlaf zu nehmen.
    »Jemand ist hinter uns her, Abel«, behauptete McKammit. Er rollte furchtsam mit den Augen.
    »Ich sehe niemand.«
    »Das macht nichts. Ich fühle ihn.«
    »Dann laß uns abhauen. Warum bleibst du hier so lange stehen? Willst du darauf warten, daß etwas passiert?«
    Jetzt kratzte sich auch Grogger in seinem Vollbart, als hätte er von seinem Freund ein paar Läuse geerbt.
    Ringsherum ragten Kräne auf. Wie Skelette von vorsintflutlichen Tieren muteten sie an.
    Das Meer wirkte wie ein riesiger schwarzer Stein, dessen Oberfläche glattgeschliffen war.
    Grogger zupfte McKammit am Ärmel. »Komm. Nun komm doch schon! Geh endlich weiter!«
    Er hatte plötzlich das Gefühl, sein Freund würde totenblaß werden.
    »A-Abel!« stammelte McKammit. Seine Augen weiteten sich. Er schluckte trocken.
    Grogger blickte in die Richtung, in die sein Freund sah. Im nächsten Moment übersprang sein Herz einen Schlag.
    Aus der Dunkelheit schälte sich eine Gestalt. Zweifellos ein Mensch. Ein Mann. Eigentlich kein Grund, sich so zu erschrecken.
    Aber McKammit hatte Grogger mit seiner Angst so angesteckt, daß auch er meinte, von diesem Mann ginge eine spürbare Bedrohung aus.
    Der Fremde war nur undeutlich zu sehen. Das war eigenartig, denn auf diese Entfernung hätte man ihn deutlicher erkennen müssen.
    Es hatte den Anschein, als würde zwischen den beiden britischen Seeleuten und jenem Mann ein trüber Schleier in der Luft hängen.
    »Wir sollten ihn nicht beachten!« sagte Abel Grogger gepreßt. »Er geht uns nichts an. Tun wir doch einfach so, als wäre er Luft für uns.«
    »Luft!« raunte George McKammit. »Sieh nur, wie sie auf einmal flimmert. Ich sage dir, da geht es nicht mit rechten Dingen zu.«
    »Ein Grund mehr, die Beine in die Hand zu nehmen.«
    McKammit konnte seinen Blick nicht von dem Fremden losreißen. Der Mann näherte sich ihnen mit geschmeidigen – katzenhaften – Bewegungen.
    »George, wenn du jetzt nicht mit mir kommst…«
    »O mein Gott!« preßte McKammit in diesem Augenblick entsetzt hervor.
    Abel Grogger warf einen nervösen Blick auf den Fremden. Er traute seinen Augen nicht.
    Was sie ihm vermittelten, war unfaßbar. Der Mann war auf einmal kein richtiger Mensch mehr.
    Er war zum Tier geworden. Aber auch das war er nicht richtig. Er war halb Mensch, halb Tier.
    Halb Mann – halb Tiger!
    Wertiger nennt man das wohl! schoß es Abel Grogger durch den Kopf, während ihm vor Schreck der Atem stockte.
    Panik stieg in ihm hoch. Das Monster kam geduckt näher. In seiner Furcht wußte Grogger nicht mehr, was er tun sollte.
    Eine Art Automatik setzte in ihm ein. Sie ließ ihn herumwirbeln und die Flucht ergreifen.
    An George McKammit dachte er in diesem schrecklichen Moment nicht. Er konnte nichts für den Freund tun.
    George mußte sich schon selbst in Sicherheit bringen, und das tat McKammit auch. Mit langen Sätzen hetzte er hinter Grogger her.
    Er wagte keinen Blick zurückzuwerfen. Sein Gesicht war angstverzerrt. Er hoffte verzweifelt, sein Leben nicht durch dieses Scheusal verlieren zu müssen.
    Verstört erreichten die britischen Seeleute ihr Schiff. Sie stürmten über die Gangway an Bord und verkrochen sich zitternd unter Deck. Noch lange glaubten sie nicht, in Sicherheit zu sein.
    Erst als der Morgen graute und sie der Teufel noch nicht geholt hatte, wußten sie, daß sie der Bestie entkommen waren.
    ***
    Ich war allein in Bombay! Ohne Mandra Korab, meinen indischen Freund. Ich hatte versucht, ihn zu
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