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Raumzeit - Provokation der Schoepfung

Raumzeit - Provokation der Schoepfung

Titel: Raumzeit - Provokation der Schoepfung
Autoren: Johannes von Buttlar
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1 Stationen der Wahrnehmung
Zentralafrika – vor rund 15 Millionen Jahren
    Die letzten Sonnenstrahlen tauchen die Kronen einer Bauminsel in rotgoldenes Licht. Das Gras in der sich ausbreitenden Savanne wiegt sich rhythmisch im sanften Abendwind. In der Ferne, weit am Horizont, zeichnet sich unwirklich, dunstig blau eine Hügelkette ab.
    »Was gibt es zu essen, Schatz?«, brummt ein behaartes, äffisches Wesen, hoch oben in den Ästen eines mächtigen Baumes.
    »Essen, essen! Wo soll ich es hernehmen, Rami?«, antwortet aufgebracht sein Weib. »Schau dich doch um!« Dabei beschreibt sie einen Kreis mit ihrem langen, behaarten Arm. »Unser Baum ist abgefressen, und bei den anderen sieht es nicht viel besser aus! Du, wir müssen unbedingt etwas unternehmen!«
    »Ich weiß, Theki, so kann es nicht weitergehen«, sagt Rami und senkt resigniert seinen Kopf, wobei aus seinem mächtigen, behaarten Bauch ein dumpfes Grollen ertönt.
    »Genau! Und vergiss nicht Afa und Rensi, unsere Kinder«, pflichtet Theki ihrem Gatten bei. »Du musst mit dem Chef sprechen.«
    »Ja, ja, immer ich! Aber ihr habt ja recht. Schließlich sind wir alle betroffen!« Es ist die sonore Stimme vom Chef, der sich mühsam in der benachbarten Baumkrone aufrichtet. Seine muskulösen Arme sind ausgestreckt, und seine Hände greifen nach einem Ast über seinem Kopf.
    Wie auf ein Kommando wird die frühabendliche Stille von einem aufgebrachten Stimmengewirr erfüllt.
    »Ruhe!«, brüllt das Oberhaupt schließlich und kräuselt seine niedrige Stirn. »Ich muss nachdenken!« Eine seiner Frauen krault besänftigend seine silbernen Rückenhaare.
    Ringsum setzt ein erwartungsvolles Murmeln ein. Und schließlich, nach einer langen Pause, hebt er sein gewaltiges Haupt: »Ich hab’s! Wir müssen runter vom Baum! Jawohl, runter!« Er legt den Kopf in den Nacken und mustert die ersten Sterne am Abendhimmel. »Nach oben geht’s ja nicht! Also runter! Wer geht? Einer von uns muss ins Unbekannte, um neue Futterquellen zu finden, damit unsere Horde überlebt. Wer also geht?« Verlegenes Schweigen breitet sich aus.
    »Ich ertrage das nicht länger!« Theki stupst ihren Mann mit dem Ellbogen an, »Komm, mach’s du, Rami. Denk an unsere Kinder.«
    »Genau!« Der Chef ist offensichtlich über diese Lösung erfreut.
    »Du bist der Richtige, Rami.«
    Alle Hordenmitglieder pflichten dem Oberhaupt erleichtert bei. »Du kannst es, du schaffst es!«
    »Ich weiß nicht.« Rami zögert, wobei seine Finger nervös an einem kahlen Zweig zupfen.
    »Hunger, Hunger!«, brüllt die Horde und trommelt mit ihren Fäusten rhythmisch auf die Äste. Auch Afa und Rensi fallen mit ihren Kinderstimmen in den Chor ein.
    »Halt, halt! Lasst uns das Ganze erst einmal überschlafen!«, schreit Rami verschreckt und bringt das Gebrüll zum Verstummen.
    Inzwischen ist die Nacht hereingebrochen. Im dunklen Samt des Himmels funkeln unzählige Sterne.
    »Unsere Welt hat sich offenbar verändert.« Es ist die ruhige Stimme des »Professors«, der von allen wegen seines hohen Alters und seiner Weisheit geachtet wird. Nachdenklich kratzt er sich die Rippen und schiebt seine Unterlippe vor. »Die Alten, unsere Vorfahren, haben immer wieder von dichtem Wald, herrlichen Früchten, Larven, Insekten und Käfern erzählt. Und was haben wir jetzt?« Abwesend betrachtet er einen Floh zwischen Daumen und Zeigefinger. »Immer weniger Bäume, nur noch Laub, lichte Äste. Unser Lebensraum schwindet. Der Chef hat recht, nach oben geht’s nicht, wir sind einfach zu schwer. Die Vögel dagegen haben’s leichter, uns aber zieht es nach unten. Doch was ist da unten? Eine fremde, gefährliche Welt mit unheimlichen, fremden Lebewesen. Dennoch, wenn wir überleben wollen, müssen wir runter. Wir brauchen einen Kundschafter.«
    »Richtig, der Professor sieht es auch so. Rami, das ist deine Chance«, sagt das Oberhaupt zufrieden.
    »Morgen, morgen«, murmelt Rami schläfrig. Aus den Baumkronen mischen sich die ersten Schnarchgeräusche mit den Tierlauten der Nacht.
    Im Morgengrauen hebt sich die weit entfernte Hügelkette dunkelviolett vom gleißenden Gold der aufgehenden Sonne ab. Zögernd, abwartend, beinahe schamhaft lugt sie über den Rand der Hügel, um dann mutig in voller Pracht als riesiger, blendender Ball aufzusteigen. Noch ist sie verhaftet, um sich schließlich mit einem Ruck zu lösen, um einen neuen Tag einzuleiten.
    Unsere Bauminsel erwacht zum Leben: Gähnen, Recken und Strecken, die Morgentoilette, das
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