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Vertrau deinem Herzen

Vertrau deinem Herzen

Titel: Vertrau deinem Herzen
Autoren: S Wiggs
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1. KAPITEL
    Washington, D. C.
    Heiligabend
     
    D er Krankenwagen, der rückwärts ins Gebäude 1 setzte, sah aus wie jeder andere. Er schien von einer Routinefahrt zurückzukommen. Vielleicht holte er einen Patienten von der Intensivstation ab oder fuhr ein Traumaopfer zu einer Operation in den Lowery-Flügel. Das Ambulanzfahrzeug hatte alle notwendigen Aufkleber, um die Sicherheitskontrollen des Army Medical Centers zu passieren. Das Team trug die üblichen gestärkten weißen Hosen und Dienstparkas, an denen die Ausweise baumelten. Und auch der Patient sah ganz normal aus. Er war in eine Thermodecke eingewickelt und trug eine Sauerstoffmaske.
    Sergeant Jordon Donovan Harris hätte ihn keines zweiten Blickes gewürdigt, wäre er nicht aus lauter Langeweile zum Shaw-Flügel hinübergeschlendert. Dort hatte er aus dem verglasten Zwischengeschoss alles im Blick.
    Er konnte die Buchten für die Krankenwagen sehen und dahinter den Rock Creek Park und die Georgia Avenue. Die Bäume standen kahl und starr auf der Schneedecke, wie Tuschezeichnungen auf einem weißen Blatt Papier. Der Verkehr rollte über die Straßen, die zu den glitzernden Türmen der Landeshauptstadt führten. Das Walter Reed Army Medical Center war ein im georgianischen Stil erbauter Gebäudekomplex; die verschiedenen Flügel waren auf einem etwa fünfzig Hektar großen Gelände verteilt. Frischer Puderschnee verlieh der Szenerie einen zeitlosen Anstrich. Nur die Aktivitäten an den Notaufnahmetüren deuteten darauf hin, dass es sich hier um das wichtigste Militärkrankenhaus an der Ostküste handelte.
    Auch wenn niemand in der Nähe war, wusste Harris, dass er beobachtet wurde. Es gab hier mehr Sicherheitskameras als in einem Kasino in Las Vegas. Ihm war das egal. Er hatte nichts zu verbergen.
    Langeweile war ein willkommener Gast im Leben eines Rettungssanitäters. Die Tatsache, dass er hier herumstehen konnte, bedeutete, dass nichts schiefgegangen war, niemandes Welt durch einen Autounfall, einen ungeschickten Sturz, ein bösartiges Fieber, einen außer Kontrolle geratenen Liebhaber mit einer Waffe zerstört worden war. Für einen Rettungssanitäter, dessen Job es war, Menschen zu retten, hieß das: Er hatte nichts zu tun.
    Sergeant Harris verlagerte sein Gewicht auf den anderen Fuß und zog eine kleine Grimasse. Seine Ausgehschuhe drückten. Heute trugen alle ihre Ausgehuniform; der Präsident war hier, um den Soldaten Mut zu machen und ein wenig weihnachtliche Stimmung zu verbreiten. Natürlich hatten nur einige wenige das Glück, ihn auch wirklich persönlich zu treffen. Seine Besuchsrunde war von den Secret-Service-Agenten und den höchsten Köpfen des Krankenhauses sorgfältig geplant worden, und das offizielle Pressekorps schirmte ihn gegen die normalen Menschen ab.
    Also war Sergeant Harris ein wenig erstaunt, als er sah, wie eine Gruppe schwarzer Anzüge und militärischer Orden den direkt unter ihm befindlichen Fahrstuhl verließ. Seltsam. Die normale Route für offizielle Besucher beinhaltete die Station 57, wo die meisten verwundeten Veteranen lagen. Heute schien die Aufnahmestation mit auf dem Programm zu stehen. Sie war erst kürzlich dank einer großzügigen Spende von Grund auf renoviert worden.
    Die Besucher eilten den blitzsauberen Flur entlang. Instinktiv richtete Sergeant Harris sich auf und bereitete sich darauf vor, zu salutieren – auch wenn niemand bemerken würde, ob er das tat oder nicht. Aber es war schwer, alte Gewohnheiten wieder loszuwerden.
    Er entspannte sich ein bisschen. In seinem gläsernen Aussichtspunkt streckte er den Hals ein wenig, um einen Blick auf den mächtigsten Mann der Welt zu erhaschen. Doch alles, was er sah, waren die begleitenden Journalisten und die Entourage, die von einem Major der Armee angeführt wurde. Einen Augenblick später wurden alle von der Leiterin der Verwaltung mit einem breiten Lächeln begrüßt. Offensichtlich stand ihre Abteilung auch auf dem Besuchsplan.
    Die Dame hieß Darnelle Jefferson und arbeitete hier schon seit einem Vierteljahrhundert. Eine Tatsache, die sie gerne jedem erzählte, der nicht rechtzeitig die Flucht ergriff. Wenn man sie jetzt so anschaute, würde man nicht denken, was die meisten Angestellten hier wussten: dass sie wie die meisten Zivilisten hier eine fürchterliche Nervensäge war, die dem Personal den ganzen Tag Scherereien machte und Berge von Papierkram verlangte, nur um ihre Existenz zu rechtfertigen. In ihrem roten Kostüm mit der gelben Schleife am
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