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Vertrau deinem Herzen

Vertrau deinem Herzen

Titel: Vertrau deinem Herzen
Autoren: S Wiggs
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nachgedacht?“
    „Nee, du würdest nie kündigen!“ Im Vorbeirollen schnappte er sich eine Tüte Bonbons aus dem Regal und warf sie in den Einkaufskorb.
    Kate packte die Tüte wieder zurück ins Regal. Diese Bonbons hatten mehr Zähne gezogen als ein schlechter Zahnarzt. „Warum glaubst du, dass ich niemals kündigen würde?“, fragte sie erstaunt. Je älter er wurde und je mehr er zu einer eigenständigen Persönlichkeit heranwuchs, desto öfter sagte ihr Sohn Dinge, die sie überraschten.
    „Weil es stimmt“, sagte er. „Du würdest nur selber kündigen, wenn dir etwas Besseres angeboten würde, und ich weiß, dass das nicht passiert ist. Das passiert nie.“
    Kate trommelte mit den Fingern auf den Griff des Einkaufswagens, dessen Plastikoberfläche im Laufe der Jahre ganz zerkratzt war. Sie ging in den Gang mit den Konservendosen. „Ach“, sagte sie leichthin, „was lässt dich da so sicher sein?
    „Weil du ausflippst“, informierte er sie.
    „Ich flippe nicht aus“, widersprach Kate.
    Aber sie tat es doch. Und wie! Nachts wanderte sie durchs Haus und starrte aus dem Fenster; oft blieb sie so lange wach, bis die Lichter am Fährterminal von Seattle ausgingen, nachdem die letzte Fähre eingefahren war. Das war die Zeit, in der sie sich besonders alleine und verängstigt fühlte. Die Zeit, in der die ewige Optimistin Kate der verzweifelten Kate Platz machen musste. Wenn sie Geschmack an Alkohol finden würde, wäre das vermutlich die Zeit, in der sie zur Flasche greifen würde. L’heure bleue, wie die Franzosen sie nannten. Die blaue Stunde zwischen Dunkelheit und Dämmerung. Das war die Zeit, zu der ihre unermüdlich fröhliche Fassade zerbrach und sie sich einer Tätigkeit hingab, die sie hasste: sich in Selbstmitleid baden. Das war ihre Zeit, sich bewusst zu werden, woher sie kam und wohin sie gehen wollte. Die Zeit, zuzugeben, dass es manchmal zu viel für sie war, Aaron alleine großzuziehen. Aber wenn die Sonne dann aufging, riss sie sich von dieser Stimmung los und stellte sich dem neuen Tag. Augen zu und durch.
    „Wir sollten Sachen kaufen, die den WIC-Aufkleber haben“, verkündete Aaron und zeigte auf ein grün-schwarzes Etikett auf einem Stapel Thunfischdosen. „Chandler hat davon erzählt“, erklärte er. „Das ist ein start... Staat... Ach, irgendein Programm für arme Leute.“
    Kate stellte die Thunfischdose, die sie in der Hand hielt, so schnell ins Regal zurück, als hätte sie sie gebissen. „Wir sind aber keine armen Leute.“
    Ihr war nicht bewusst gewesen, wie laut sie gesprochen hatte, bis ein Mann am anderen Ende des Ganges sich nach ihr umdrehte. Es war der gleiche, den sie schon auf dem Parkplatz gesehen hatte, nur dass er jetzt nicht mehr so weit weg war. Unter seinem Bartschatten konnte sie einen starken Kiefer erkennen. Seine Sonnenbrille hatte er gegen eine normale Brille mit Horngestell eingetauscht, die an einer Seite mit Klebeband repariert worden war. In der kurzen Sekunde, in der sich ihre Blicke trafen, fiel ihr auf, dass seine Augen die Farbe und Tiefe von altem Whiskey hatten. Aber Klebeband? Was war er – ein Computerfreak?
    Sie wirbelte auf dem Absatz herum, damit er die Röte nicht sah, die ihr in die Wangen schoss, und schob den Einkaufswagen schnell in die entgegengesetzte Richtung.
    „Siehst du?“, sagte Aaron. „Deshalb weiß ich auch, dass du deinen Job niemals kündigen würdest. Dir wäre es viel zu peinlich, arm zu sein.“
    „Wir sind nicht ...“ Kate zwang sich, stehen zu bleiben. Sie nahm einen tiefen, beruhigenden Atemzug. „Hör zu, Großer. Uns geht es gut. Besser als gut. Bei der Zeitung gab es für mich keine Entwicklungsmöglichkeiten, und außerdem war es sowieso an der Zeit weiterzuziehen.“
    „Also sind wir nun arm oder nicht?“
    Sie wünschte sich, dass er etwas leiser sprechen würde. „Nein“, versicherte sie ihm.
    Tatsächlich hatte ihr Gehalt bei der Zeitung gerade so eben zum Leben gereicht; der Hauptteil ihres Einkommens kam durch die Mietwohnungen in Seattle, die ihr Vater ihr hinterlassen hatte. Trotzdem hatte sie sich über den Job definiert. Sie war Journalistin. Und jetzt, wo man sie hatte gehen lassen, fühlte sie sich, als hätte man ihr den Boden unter den Füßen weggezogen. „Aber weißt du, was die neue Jobsituation für uns bedeutet? Dass wir beide den ganzen Sommer zusammen verbringen können, nur du und ich.“ Sie betrachtete Aarons Mienenspiel und sprach weiter, bevor er sich zu sehr in seine
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