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Vertrau deinem Herzen

Vertrau deinem Herzen

Titel: Vertrau deinem Herzen
Autoren: S Wiggs
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Verzweiflung hineinsteigern konnte. „Oder hast du damit ein Problem?“
    „Ja“, sagte er mit einem kleinen frechen Funkeln in den Augen. „Vielleicht habe ich das.“
    „Klugscheißer“, neckte sie ihn und zog ihm die Baseballkappe über die Augen. Mein Gott, dachte sie, bevor ich mich versehe, wird der kleine rothaarige Junge mit den Sommersprossen so groß sein wie ich.
    Der Stimmungsumschwung kam so schnell wie immer, ohne Vorwarnung und ohne dass etwas vorgefallen wäre. „Das ist doof“, nörgelte er plötzlich mit zusammengekniffenen Augen. Alle Farbe war aus seinem Gesicht gewichen. „Das wird ein doofer, langweiliger Sommer, und ich weiß gar nicht, wieso wir überhaupt hierhergekommen sind.“
    „Aaron, fang gar nicht erst an ...“
    „Ich fange nicht an.“ Er riss sich die Kappe vom Kopf und warf sie mitten in den Gang.
    „Gut“, sagte sie und versuchte, jegliche Emotionen aus ihrer Stimme herauszuhalten. „Denn ich muss noch Verschiedenes einkaufen. Je mehr wir uns beeilen, desto schneller sind wir am See.“
    „Ich hasse den See.“
    Sie hoffte, dass er nicht noch mehr Aufmerksamkeit erregt hatte, lenkte den Wagen um ihn herum und erledigte die restlichen Einkäufe. Dabei versuchte sie, sich nicht anmerken zu lassen, wie aufgewühlt sie war. Sie erlaubte nicht, dass seine Unfähigkeit, sein Verhalten zu kontrollieren, sie kontrollierte. Wann würde es aufhören? Sie hatte Ärzte und Psychologen besucht, Hunderte von Büchern über das Thema gelesen, aber nirgendwo hatte sie eine Lösung für den Umgang mit Aarons Temperament und seinem Schmerz gefun den. Bisher schien die effektivste Waffe Zeit zu sein. Die Minuten erschienen ihr endlos, als sie durch die Gänge ging und ihn die ganze Zeit ignorierte. Manchmal wünschte sie sich, sie könnte in seinen Kopf schauen, die Quelle seines Schmerzes finden und ihn heilen. Aber es gab weder Pflaster noch Salbe für die unsichtbaren Wunden, die er mit sich herumtrug. Gut meinende Mitmenschen merkten gerne an, ihm fehle ein Vater. Ach was, dachte Kate dann immer.
    „Mom“, sagte eine ruhige, zerknirschte Stimme hinter ihr. „Es tut mir leid, Mom. Ich werde mich noch mehr anstrengen, nicht immer so böse und laut zu werden.“
    „Das hoffe ich“, sagte sie, und wieder einmal brach ihr Herz ganz leise, wie immer, wenn sie miteinander stritten. „Es ist verletzend und peinlich, wenn du die Geduld verlierst und so laut herumschreist.“
    „Ich weiß. Es tut mir leid“, wiederholte er kleinlaut.
    Sie hatte ein Dutzend Ideen, vielleicht sogar mehr, wohin sie diesen lehrreichen Moment steuern könnte. Aber sie hatten auch gerade eine dreistündige Autofahrt von Seattle hinter sich, und sie konnte es kaum erwarten, endlich ins Haus zu kommen. Also sagte sie nur: „Wir brauchen noch Zutaten für S’mores.“
    Erleichterung glättete seine Züge, und er war wieder er selbst: ein kleiner Junge, der so gern gefallen wollte. Der Junge, den die Lehrer an seiner Schule so selten sahen. Seine Gefühlsausbrüche waren heftig, aber auch schnell vorbei, ohne irgendwelche Nachwehen.
    „Ich geh schon!“, rief er und rannte den Gang hinunter.
    Einige Rituale im Haus am See waren tief in der Familientradition verankert und mussten auf eine genau festgelegte Weise getan werden. S’mores waren eines davon. Die süßen Sandwiches mussten immer mit Butterkeksen und ohne Zimt gemacht werden, und die klebrigen Marshmallows wurden in Mini-M&Ms gerollt – etwas anderes kam nicht infrage.
    Wann immer es einen Abend mit S’mores gab, musste auch am Strand Scharade gespielt werden. Im Kopf ging Kate die Liste der vorgeschriebenen Aktivitäten durch und fragte sich, ob sie sich wohl an alle erinnern würde. Das Abendbrot wurde durch das Schlagen der alten Schiffsglocke angekündigt, die an der Veranda hing. Im Juli mussten sie Feuerwerk an dem wettergegerbten Straßenstand des Makah-Stammes kaufen, um es am 4. Juli zu entzünden. Um die Sonnenwende zu feiern, würden sie das alte Krocket-Set entstauben und so lange spielen, bis die Sonne gegen zehn Uhr abends unterging, wobei sie sich so in den Wettkampf stürzten, als hinge ihr Leben davon ab. Wenn es regnete, wurde das Scrabble-Brett herausgeholt, an dem genauso erbitterte Wettbewerbe ausgetragen wurden. Diesen Sommer war Aaron alt genug, um Canasta und Whist zu lernen. Allerdings wusste sie bei den meisten Spielen nicht, wie man sie mit zwei Personen spielen sollte.
    Alle Traditionen aus dem Haus am See waren
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