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Schöne Sauerei: Ein Schweinekrimi (German Edition)

Schöne Sauerei: Ein Schweinekrimi (German Edition)

Titel: Schöne Sauerei: Ein Schweinekrimi (German Edition)
Autoren: Arne Blum
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1
    »Da kannst du sehen, zu was die Menschen fähig sind«, grunzte Che.
    Sie standen am Zaun und blickten auf den Hof hinüber. Kim war schlechter Stimmung. Sie fühlte eine unbestimmte Sehnsucht – der Sommer ging allmählich zu Ende, und irgendwie machte sie dieses Gefühl traurig. Außerdem hatte sie Liebeskummer, nein, Liebeskummer war das völlig falsche Wort; sie war auch nicht eifersüchtig oder gereizt, nur weil dieser … Ach nein, sie wollte gar nicht darüber nachdenken, in welcher Stimmung sie war.
    »Was machen die Menschen da?«, quiekte Cecile, das Minischwein, nachdem sie sich neugierig neben Kim geschoben hatte. Wie immer, wenn sie aufgeregt war, wedelte ihr Schwänzchen auf und ab.
    Kim antwortete nicht. Sie wusste selbst nicht genau, was die Menschen da trieben.
    Am Morgen waren eine Menge Leute auf den Hof gekommen, die meisten hatten sich seltsam angezogen, nicht wie sonst mit Hemd und Hose. Einige Frauen trugen lange Gewänder, etliche Männer hatten Stöcke in den Händen und merkwürdige glänzende Gebilde auf dem Kopf, und einer mit langen braunen Haaren hatte sich ganz ausgezogen und trug lediglich ein weißes Tuch.
    »Sie bringen einen von sich um«, knurrte Che. »Das sieht man doch!«
    »Wirklich?«, kreischte Cecile. »Den Mann mit den langen Haaren?«
    Che nickte. »Auf den haben sie es abgesehen – so sind die Menschen. Sie können es nicht ertragen, in Frieden zu leben, deshalb ist es auch an der Zeit, dass wir uns endlich aufraffen, uns gegen die Menschen zu solidarisieren, zu kämpfen und ihnen …«
    »Ja, schon gut, Che«, unterbrach Kim ihn. »Wir wissen Bescheid.« Wie lange ertrug sie dieses Gerede von Krieg und Revolution nun schon? Eigentlich wusste sie es genau: von dem Moment an, als Dörthe sie gerettet und auf ihren Hof gebracht hatte. Aber Che war ein Husumer Protestschwein, er musste unentwegt das große Wort führen.
    Sie spielen, wollte Kim sagen, Menschen macht es Spaß, sich zu verkleiden und irgendetwas aufzusagen, aber dann sah und hörte sie, wie der nackte Mann mit den langen Haaren schrie und wie einer der Männer mit den glänzenden Gebilden auf dem Kopf ihm seinen Stock in die Seite stieß. Und dann … Kim konnte vor Aufregung kaum atmen, während sie die Augen zusammenkniff, um alles genau zu beobachten. Drei Männer banden den Langhaarigen an ein Holzkreuz, ein vierter drückte ihm etwas ins Haar, ein Geflecht aus Stacheldraht, den Kim von den Zäunen kannte. Der Langhaarige schrie immer lauter. Eine der Frauen fing an zu weinen, aber sie griff nicht ein, versuchte nicht, ihm zu helfen. Die anderen Männer stellten sich um das Kreuz auf und begannen wild zu rufen.
    Plötzlich verstand Kim auch, was sie schrien, dunkel und hässlich: »Tötet ihn! Schlagt ihn ans Kreuz, den falschen König! Kreuzigt ihn!«
    Verdammt, Che hatte recht – vor ihren Augen wurde ein Menschen getötet. Das war schon einmal passiert. Nachts war Munk, der berühmte Maler, direkt vor ihrem Stall ermordet worden, doch das war heimlich geschehen. Dieses Mal taten die Menschen es vor aller Augen.
    Wie konnte Dörthe so etwas zulassen? Dörthe war ihre Herrin und Beschützerin, ihr gehörte der Hof; sie aß nie Fleisch und war die Freundlichkeit in Person, wie selbst Che zugeben musste.
    Der langhaarige Mann schrie noch lauter. Er warf den Kopf hin und her, doch er konnte den Stacheldraht nicht abschütteln.
    »Was soll der Unsinn?« Brunst, das fetteste Schwein auf ihrer Wiese, trabte vorbei und bedachte das Geschehen auf dem Hof mit einem flüchtigen Blick. »Die machen mich mit ihrer Schreierei ganz nervös.« Er kaute auf einem Kohlkopf herum; wenn die anderen Schweine längst satt waren, musste er immer weiterfressen.
    Die vier Männer zogen den Langhaarigen in die Höhe. Er hing an dem Kreuz und bewegte sich nicht mehr. Mit leerem Blick starrte er vor sich hin und beachtete nicht einmal eine Frau in einem weißen Gewand, die neben den Männern schluchzend auf die Knie gefallen war.
    Warum half dem Mann denn keiner? Wehrlos, nur mit seinem winzigen Tuch bekleidet hing er da. Wo blieb Dörthe? So etwas konnte sie auf ihrem Hof nicht zulassen.
    Kim begann laut zu grunzen, aber niemand hörte sie in dem Tumult. Wieder begannen die anderen Männer zu brüllen. »Kreuzigt ihn! Kreuzigt ihn!«
    Noch einmal stach ein Mann mit seinem Stock zu. Die anderen Männer applaudierten. Dann hob der nackte Mann am Kreuz unvermittelt den Kopf. Er sagte etwas, das Kim nicht verstehen konnte, ein
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