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0050 - Der Stein des Satans

0050 - Der Stein des Satans

Titel: 0050 - Der Stein des Satans
Autoren: Susanne Wiemer
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sie sah nicht mehr Bill Fleming, der unter dem gleichen magischen Bann stand wie sie selbst – sie sah nur noch die dunklen, zwingenden Augen Leonardo de Montagnes, dessen Blick sich wie ein Energiestrahl in den ihren senkte.
    Langsam, Schritt für Schritt trat sie auf das Gemälde zu.
    Leonardo starrte sie an. Leonardo, der Schreckliche… Seine Gestalt schien ins Riesenhafte zu wachsen. Hoch aufgerichtet stand er da, mit flammenden Augen – und seine Rechte löste sich vom Griff des Schwertes und streckte sich Nicole entgegen.
    Etwas geschah mit ihr.
    Die Wirklichkeit trat zurück, entglitt ihr, machte Platz für etwas anderes. Es war, als sei sie an einen Stromkreis angeschlossen, der sie mit der Gestalt auf dem Bild verband, der die ganze restliche Welt ausschloss und aus dem sie sich aus eigener Kraft nicht befreien konnte.
    Langsam hob sie die Rechte.
    Ergriff Leonardos ausgestreckte Hand.
    Und es kam ihr nicht einmal seltsam vor, dass sie mit einer sanften Bewegung hinüber in eine Welt gezogen wurde, die es eigentlich nicht geben konnte, da sie nur mit Ölfarben auf eine Leinwand gemalt war…
    ***
    Maria Mercedes Labianca schlug langsam die Augen auf.
    Sie lag auf der Couch. Marco Diaz beugte sich über sie, betupfte ihre Schläfen mit einem feuchten Taschentuch. Das Gesicht des mexikanischen Parapsychologen war bleich und angespannt, und er atmete auf, als sich das Medium wieder bewegte.
    Verwirrt sah Mercedes von einem zum anderen. An Professor Zamorra blieb ihr Blick sekundenlang hängen, und ihr Blick flackerte.
    Sie rieb sich mit dem Handrücken über die Stirn, als müsse sie etwas wegwischen.
    »Was ist passiert?«, fragte sie schwach.
    »Du bist ohnmächtig geworden, Mercedes.« Diaz strich ihr eine Haarsträhne zurück – eine Geste, die Zärtlichkeit verriet. »Vermutlich eine kleine Kreislaufschwäche. Du hattest lange im Sessel gesessen und bist dann einfach zu plötzlich aufgesprungen.«
    Das Mädchen antwortete nicht, runzelte nachdenklich die Stirn.
    Zamorra biss sich auf die Lippen. Hatte sein Kollege nicht bemerkt, dass es ganz eindeutig der Anblick des Besuchers gewesen war, der den Anfall ausgelöst hatte? Und war ihm die kurze, gespenstische Veränderung in den Zügen des Mediums entgangen?
    »Erinnern Sie sich an die letzten Sekunden vor Ihrer Ohnmacht, Señorita Labianca?«, fragte der Professor.
    Sie schüttelte den Kopf. »Nein, ich weiß nichts mehr. Ich erinnere mich, dass ich aufstand, um Sie zu begrüßen. Aber dann…«
    »Aus irgendeinem Grund muss ich Sie erschreckt haben, Señorita Labianca. Sie streckten abwehrend die Hände aus, riefen ›nein, nein‹ und schienen deutlich unter einem Schock zu stehen.«
    »Einem Schock? Das verstehe ich nicht…«
    »Aber es stimmt, Mercedes!« Marco Diaz runzelte die Stirn, starrte sie an. »Je mehr ich darüber nachdenke, desto genauer erinnere ich mich. Eine Kreislaufschwäche äußert sich anders. Es sah eher so aus, als fielest du von einer Sekunde zur anderen in eine ungewöhnlich tiefe Trance. Und dann war da etwas mit deinem Gesicht!« Er machte eine Pause und sah fragend zu seinem Kollegen hinüber. »Hatten Sie nicht auch für einen Moment den Eindruck, einer völlig fremden Person gegenüberzustehen, Professor?«
    »Einer anderen Person als Señorita Labianca – aber keiner Fremden«, sagte Zamorra ruhig. »Ich glaubte, die Züge meiner Assistentin Nicole Duval zu erkennen.« Er zögerte, und er spürte selbst, wie die Farbe aus seinem Gesicht wich bei dem Gedanken, der sich ihm aufdrängte. »Senor Diaz, Sie kennen die medialen Fähigkeiten Ihrer Freundin besser als ich. Hat es jemals Seancen gegeben, bei denen irgendeine fremde Macht vom Körper des Mediums Besitz ergriff?«
    »Mehr als einmal.« Diaz schluckte, denn er begriff, worauf der Professor hinauswollte. »Mercedes’ Gesicht war dann jedes Mal starr, sozusagen entpersönlicht. Aber es ist bekannt, dass es bei sehr starken Einflüssen vorkommt, dass das Gesicht des Mediums die Züge dessen annimmt, der aus ihm spricht.«
    »Die Züge eines Wesens aus dem Jenseits«, sagte Zamorra leise.
    »Ja, sicher. Wir haben immer nur die Geister von Toten beschworen.« Diaz lächelte gequält. »Ich sagte Ihnen bereits, dass ich gewisse gefährliche Experimente genauso verantwortungslos finde, wie Sie es tun. Mein wissenschaftliches Interesse an den alten Aztekenkulten findet seine Grenze da, wo das Risiko beginnt, diese Schreckensgottheiten etwa auf die Erde
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