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0050 - Der Stein des Satans

0050 - Der Stein des Satans

Titel: 0050 - Der Stein des Satans
Autoren: Susanne Wiemer
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»Leonardo de Montagne«, sagte Bill Fleming nachdenklich. »In den alten Chroniken wimmelt es von Geschichten über ihn. Nur wie er schließlich starb, scheint niemand aufgezeichnet zu haben. Ich wünschte, ich könnte irgendetwas über seinen Tod erfahren.«
    Nicole Duval lächelte leicht. Sie kauerte mit angezogenen Beinen in einem Sessel der Bibliothek, hatte einen leichten Schal um den Hals geschlungen und lutschte Tabletten gegen die Erkältung, deretwegen sie darauf verzichtet hatte, Professor Zamorra zu dem Parapsychologen-Kongress nach Paris zu begleiten. Paris im Frühling, dachte sie träumerisch. Sicher wäre neben den ausgedehnten Referaten und Diskussionen noch Zeit für ein oder zwei geruhsame Einkaufsbummel geblieben.
    Diese verflixte Halsentzündung!
    »Wozu soll das gut sein?«, fragte sie, auf Bill Flemings Worte eingehend. »Mir ist es ziemlich gleich, wie dieser Mensch umgekommen ist. Gerechterweise müsste er eigentlich einen scheußlichen Tod gefunden haben – nach all dem Unheil, das er angerichtet hat.«
    »Merkwürdig, nicht wahr?« Fleming musterte aus schmalen Augen die Lederrücken der kostbaren alten Bände. Er war Kulturhistoriker, die Bibliothek von Château Montagne mit all den Chroniken aus vergangenen Jahrhunderten faszinierte ihn immer aufs neue, und sein Freund Zamorra hatte ihm lachend die Erlaubnis gegeben, sein wissenschaftliches Interesse ungehindert auf jeden Winkel des Schlosses auszudehnen. »Da macht sich ein Kreuzfahrer ins Heilige Land auf, von tiefer Gläubigkeit beseelt«, sagte er langsam. »Und ein paar Jahre später kehrt er völlig verwandelt zurück, als menschliches Ungeheuer. Dass er sich dem Satan verschrieben hat, ist natürlich Legende, aber…«
    »Wer weiß«, lächelte Nicole. In ihren braunen Augen tanzten bunte, mutwillige Funken. »Sie sind ein Zweifler, Bill! Aber selbst Sie sollten es allmählich leid werden, übersinnliche Ereignisse, von denen Sie ja inzwischen wirklich genug erlebt haben, jedes Mal von neuem als Träume oder Halluzinationen zu deuten.«
    Fleming hob die Schultern. Er lehnte mit dem Ellenbogen an der holzgetäfelten Wand, die an das Bücherregal grenzte und von der das Porträt Chalderons, des ersten Comte de Montagne, mit strengem Lächeln aus einem Bilderrahmen sah. Andere Porträts befanden sich in der Ahnengalerie, wie Bill wusste. Teilhart de Montagne, der Anno Domini 1022 vom Söller in den Burghof gestürzt war, Leonardo der Schreckliche, dessen Sohn Chlodwig, Anais de Montagne, eine Frau von dunkler, exotischer Schönheit, die vermutlich von jener sagenhaften geraubten Kalifengattin abstammte, einen kastilianischen Granden geheiratet und die spanische Familienlinie begründet hatte, der auch Zamorra entstammte…
    »Die Geschichte dieser Burg ist wirklich faszinierend«, sagte der junge Historiker. »Aber die schillerndste Figur ist nun einmal ›Le Terrible‹. Was mag aus ihm geworden sein? Ich möchte es zu gern wissen!«
    Bei den letzten Worten hatte er leicht mit der Hand gegen die dunkle Holzvertäfelung geklopft.
    Es klang hohl, doch das fiel ihm nicht auf. Auch das leise Surren, das plötzlich in der Luft hing, bemerkte er nicht. Er wollte weiter sprechen – und in der nächsten Sekunde zuckte er heftig zusammen, als die Wand, gegen die er sich lehnte, plötzlich nachgab.
    Nein, nicht die Wand.
    Nur ein Teil der Vertäfelung war es, die zu geheimnisvollem Leben erwachte. Eine der quadratischen Holzplatten wich zurück, drehte sich um eine Achse – und Bill Fleming und Nicole Duval starrten verblüfft auf das dunkle Geheimfach, das sich vor ihnen auftat.
    Der junge Historiker fasste sich als Erster.
    Er trat dicht an die Öffnung heran und warf einen Blick hinein.
    Leise pfiff er durch die Zähne, und als er sich umwandte, funkelten seine Augen.
    »Ein altes Buch«, stellte er fest.
    Nicole hob die Brauen.
    »Der Bericht über den Tod des Schrecklichen«, vermutete sie scherzhaft.
    Bill zuckte die Achseln, wandte sich wieder dem Geheimfach zu.
    Vorsichtig nahm er den verstaubten, in dunkles Leder gehüllten Band heraus. Auch Nicole war aufgesprungen, jetzt ebenfalls gespannt, und sie sah Bill Fleming über die Schulter, als er das Buch auf dem Rauchtisch ablegte und behutsam aufschlug.
    Die Schrift war altertümlich verschnörkelt. Es gab Abbildungen, gezeichnete Grundrisse, in feinem Filigran ausgeschmückte Jahreszahlen. Vorsichtig, immer wieder innehaltend blätterte Bill die Seiten durch – und nach ein paar
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