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0050 - Der Stein des Satans

0050 - Der Stein des Satans

Titel: 0050 - Der Stein des Satans
Autoren: Susanne Wiemer
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das grässliche Geheimnis von Generation zu Generation weitergegeben worden, bis es endlich doch in Vergessenheit geriet. Lange hatte es als der Fluch der Montagnes weitergelebt, an dessen Ursprung sich niemand mehr erinnerte. Erst Louis de Montagne war wieder auf die Lösung des Rätsels gestoßen – und auf das Versteck des zauberkräftigen silbernen Amuletts. Im Kampf gegen einen verbrecherischen Wissenschaftler, der den Talisman an sich bringen wollte, hatte Louis de Montagne in letzter Verzweiflung die Dämonen befreit, denen er dann selbst zum Opfer fiel – und Nicole erinnerte sich noch heute mit Schaudern an ihre ersten Tage auf dem Schloss und an die erste Begegnung mit den Mächten der Finsternis, deren Existenz sie damals noch geleugnet hatte.
    Sie warf Bill einen Blick zu. Der junge Historiker hielt in der linken Hand eine starke Taschenlampe und in der Rechten den Schlüssel, den ihm Nicole gegeben hatte. Für einen Moment schien auch er zu spüren, dass es mit der Tür eine besondere Bewandtnis hatte. Aus schmalen Augen betrachtete er das Wappen und die geschnitzten Bannmale, dann zuckte er die Achseln und schob den Schlüssel ins Schloss.
    »Ich nehme an, dass Zamorra das Gewölbe bis zum letzten Winkel durchsucht hat«, meinte er, während er drehte. »Vermutlich ist Leonardo in Wahrheit einfach auf und davon gegangen, und die Verliese unter dem Schlossgraben entspringen nur der Fantasie der Chronisten.«
    »Hoffentlich«, sagte Nicole.
    Und während knarrend die schwere Tür aufschwang, gestand sie sich ein, dass sie tatsächlich wünschte, die ganze dunkle Geschichte möge sich als Hirngespinst entpuppen.
    Auf sich beruhen lassen konnte sie die Sache allerdings trotzdem nicht. Ihre Neugier war geweckt. Und irgendetwas zog sie – eine Art Sog, der in dem Moment erwacht war, in dem sie die entscheidenden Passagen aus der Chronik hörte, und der sie auch jetzt nicht losließ. Bill ging es offenbar genauso. Sein Gesicht wirkte kantig und gespannt, als er einen Schritt über die Schwelle machte. Er hob die Linke, leuchtete mit der Taschenlampe in das Gewölbe hinein – doch er sah nur wattige Schwärze, und eine Begrenzung des Raums war nirgendwo auszumachen.
    »Die Verliese müssen der Tür genau gegenüberliegen«, sagte er.
    Seine Stimme hallte in dem Gewölbe, dumpf kam ein Echo zurück.
    »Wollen Sie hier bleiben, Nicole, oder…«
    »Ich komme natürlich mit. Nur zu, Bill! Es gibt hier nichts – buchstäblich nichts außer dicken Mauern.«
    Fleming zuckte die Achseln, richtete die Taschenlampe vor sich auf den Boden und setzte sich langsam in Bewegung. Nicole blieb dicht hinter ihm. Schwärze hüllte sie ein, der Lichtkegel der Lampe verlor sich ringsum zu gestaltlosem grauem Nebel. Das einzige Reale in dieser Finsternis schienen die beleuchteten Steinplatten unter ihren Füßen zu sein, und Nicole spürte, wie sich das Gefühl des Unheimlichen mit jedem Schritt verdichtete.
    »Es kommt daher, dass es keine Lampen gibt«, knurrte Bill. Er meinte die unbestimmte Furcht, die auch ihn erfasst hatte, doch das sprach er nicht aus. »Es wirkt nun mal unheimlich, durch einen Raum zu gehen, dessen Abmessungen man nicht sehen kann. Ein Gefühl wie beim Autofahren im dichten Nebel…«
    Nicole antwortete nicht.
    Sie war eine gute Autofahrerin, verfügte über ausgezeichnete Nerven und erinnerte sich nicht, Nebel auf einsamen Straßen je sonderlich unheimlich gefunden zu haben. Jetzt jedoch nistete ein kühles Prickeln zwischen ihren Schulterblättern. Dunkel fühlte sie, dass sie sich hier in einem fremden Bereich befand, dass die Bannmale an der Tür diesen Raum auf geheimnisvolle Weise immer noch von der übrigen Welt trennten. Sie biss sich auf die Lippen. Vergeblich versuchte sie, die Dunkelheit mit den Augen zu durchdringen, und als Bill wenig später abrupt stehen blieb, prallte sie beinahe gegen ihn.
    »Da«, flüsterte er. »Die Außenmauer…«
    Mächtige graue Steinquader schimmerten feucht im Licht. Der Lampenstrahl tastete nach oben, erfasste den Ansatz der Decke, leuchtete die Wand nach beiden Seiten hin ab. Nichts – jedenfalls nichts Ungewöhnliches. Bill runzelte die Stirn, nahm das Blatt aus der Tasche, auf dem er den Grundriss kopiert hatte, und richtete den Lichtkegel darauf.
    »Etwa vier Yard rechts«, murmelte er, während er sich bereits umdrehte. Seine Schritte hallten, das Geräusch von Nicoles Absätzen mischte sich als helleres Klappern ein. Erneut blieben sie stehen – und
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