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0050 - Der Stein des Satans

0050 - Der Stein des Satans

Titel: 0050 - Der Stein des Satans
Autoren: Susanne Wiemer
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dem Häuschen.«
    Zamorra runzelte die Stirn. Spannung hatte ihn gepackt, eine unruhige, erregte Spannung – aber das war angesichts von Nicoles Neuigkeit nur zu verständlich. »Großartig«, sagte er. »Wenn das stimmt, hat Bill allen Grund, aufgeregt zu sein. Du weißt, wie viel Zeit ich schon in den Versuch investiert habe, die Lebensgeschichte des ›Schrecklichen‹ lückenlos zu rekonstruieren.«
    »Ja, Chef. Wenn du nach Hause kommst, wirst du die Lücken füllen können. Wie ich Bill kenne, gibt er keine Ruhe, bis er die entsprechenden Passagen auswendig kann.«
    »Und sonst ist alles in Ordnung bei euch?«
    »Vollkommen in Ordnung. Warum fragst du?«
    Zamorra atmete tief durch. Er verstand selbst nicht mehr, was ihn beunruhigt hatte. Die düstere Ahnung war wie weggeblasen – und er sagte sich, dass sie wohl doch nur ein Produkt jener seltsamen Atmosphäre gewesen sei, die immer entsteht, wenn eine Gruppe von Menschen ungewöhnlich hoher Sensibilität zusammenkommt.
    »Nur so«, meinte er leichthin. »In zwei Tagen bin ich zu Hause. Grüße Bill von mir!«
    »Mach’ ich! Bis dann…«
    Die Verbindung war unterbrochen. Langsam legte Zamorra den Hörer auf und blickte einen Moment lang den Apparat an, ohne ihn wirklich zu sehen.
    Er dachte an das Geheimfach, das alte Buch. Leonardo de Montagne, der Schreckliche! Er war es gewesen, der das zauberkräftige Amulett von einem Kreuzzug mitgebracht hatte. Der Sohn des Kalifen Achman hatte es ihm geschenkt – der Mann, dem er die Frau gestohlen hatte. Ein Geschenk der Rache war es gewesen, eine schreckliche Versuchung. Leonardo war dieser Versuchung erlegen, hatte nach der Macht gegriffen und sich Geister und Dämonen Untertan gemacht. Seit damals hieß es, dass ein Fluch auf dem Geschlecht der Montagnes laste, seit damals stand ein Unstern über dem herrlichen alten Schloss an der Loire. Louis de Montagne war das letzte Opfer gewesen. Von ihm, seinem Onkel, hatte Zamorra das Château geerbt, das Amulett – und die Verpflichtung, die Kraft des silbernen Talismans für das Gute einzusetzen und den Kampf gegen die Mächte der Finsternis aufzunehmen, wo immer sie ihm begegneten.
    Und jetzt?
    Würde das geheimnisvolle Buch ein weiteres Rätsel der Vergangenheit enthüllen? Würde sich das Dunkel lichten, das über dem Ende des »Schrecklichen« lag?
    Zamorra atmete tief.
    In zwei Tagen würde er es wissen. Und bis dahin, nahm er sich vor, musste er zumindest versuchen, sich auf seine Arbeit hier in Paris zu konzentrieren.
    Dass er besser daran getan hätte, dem ersten Impuls zu folgen und sofort zurückzufahren, begriff er erst später…
    ***
    Nicole zündete sich eine Zigarette an und blies kunstvolle Rauchringe in die Luft.
    Sie saß am Kamin in der Halle des Schlosses, zusammen mit Bill, dessen ganze Aufmerksamkeit sich auf das Buch konzentrierte, das er vor sich auf dem niedrigen Eichentisch deponiert hatte. Seite um Seite schlug er um, und ab und zu machte er sich ein paar eilige Notizen.
    »Wirklich unglaublich«, murmelte er schließlich. »Dieser Leonardo de Montagne gehört zu den erstaunlichsten Figuren, die die Geschichte der Kreuzzüge aufweist.«
    Nicole wickelte sich eine Haarsträhne um den Zeigefinger.
    »Worum geht es denn? Hat er irgendwo noch ein paar Frauen geraubt?«
    Bill schüttelte den Kopf. »Diese Frau des Kalifensohnes hat er mit einer Gruppe heimkehrender Kreuzfahrer nach Frankreich geschickt, als 1099 Jerusalem eingenommen worden war. Ihr Name taucht nie mehr auf – der Chronik ist nicht einmal zu entnehmen, ob sie Château Montagne jemals erreichte oder unterwegs starb oder floh.« Bill zögerte einen Moment und musterte die Buchseite aus schmalen Augen. »Nein, hier geht es um etwas anderes. Leonardo zog mit einem Teil des Kreuzfahrerheers von Jerusalem aus weiter in das Reich der Kalifen, das heutige Ägypten. Die drei Söhne Achmans besiegte er, von Achman selbst wurde er später vernichtend geschlagen. Aber vorher raubte er ihm etwas, das die Chronik den ›Stern des Morgenlandes‹ nennt.«
    »Achmans Lieblingsfrau«, vermutete Nicole lächelnd.
    »Mitnichten! Der ›Stern des Morgenlandes‹ war offenbar ein besonders kostbarer Diamant. Hören Sie zu!« Bill beugte sich vor, suchte die richtige Stelle, und dann las er ein paar Sätze in der altertümlichen, klingenden Sprache vor:
    »In Leonardos Herz aber erwachte frevlerische Gier. Zwölf Getreue waren es, die ihm folgten. Sie trennten sich von den Kämpfenden, überließen
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