Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Filou: Ein Kater sucht das Glück - Roman (German Edition)

Filou: Ein Kater sucht das Glück - Roman (German Edition)

Titel: Filou: Ein Kater sucht das Glück - Roman (German Edition)
Autoren: Sophie Winter
Vom Netzwerk:
EINS
    F ilou war der größte und prächtigste, der angesehenste Kater von Beaulieu. Er war ein Kater im Glück.
    Kurz vor Morgengrauen erwachte er aus einem erfrischenden Schläfchen, reckte und streckte sich, polierte sich mit der angefeuchteten Pfote die Ohren und sprang hinaus auf die Straße. Er konnte sie nicht warten lassen, die Menschen da draußen in seinem Sprengel, er war ihr Glücksbringer, ihr Talisman, sie brauchten ihn.
    Im Bewusstsein seiner Mission bauschte er die erhobene Rute, deren Spitze er einen eleganten kleinen Dreh gegeben hatte, und spazierte die Ruelle des Camisards hoch. Die Mauern der Häuser rechts und links der engen Gasse verströmten feuchte Kälte und den Geruch aller Tiere, die in den letzten Tagen hier entlanggezogen waren. Filou überprüfte die Duftmarke, die er neben eine Haustür gesetzt hatte, vor der zwei alte Blechtöpfe standen, in denen Fleißige Lieschen blühten. »Mein Revier!«, sagte der Duft stark und deutlich.
    Zufrieden trabte er weiter, sprang von Haustür zu Haustür, tatzte nach einer nachtstarren Biene, stolzierte provozierend langsam am Zaun vorbei, hinter dem ein schwarzer Dobermann tobte, und entkam nur mit äußerster Geistesgegenwart und Schnellkraft dem Schwall kalten Wischwassers, der sich aus einer der Türen auf die Straße ergoss. Mit elegant auf zehn nach drei gesenktem Schweif trabte er am Platz vor dem Kriegerdenkmal vorbei, auf dem die alten Männer sonntags Petanque spielten. Einmal hatte er versucht mitzuspielen, da war er noch jung und naiv gewesen. Was war das für ein Geschrei und Gekeife gewesen, als er die kleinste der Kugeln zwischen die Pfoten nahm und über das Spielfeld dribbelte! Keiner schien sich über seine Meisterschaft zu freuen, alle scheuchten ihn weg. Wie konnte man nur so engstirnig sein.
    Endlich erreichte er die Grande Rue. Groß war die Grande Rue nicht, obwohl sie so hieß, aber sie war groß genug für Autos, und die waren gefährlich. Es war nicht gut, ihnen in die Quere zu kommen, nein, ganz und gar nicht.
    Er blickte erst nach links und dann nach rechts und huschte hinter einem schwankenden Fahrradfahrer über die Straße. Am Bottich mit dem Oleander, der vor dem Friseurladen stand, überraschte ihn eine verführerische Duftnote, der er sich mit Hingabe widmete. Mensch? Hund? Katze? Kind? Bevor er zur Feinanalyse übergehen konnte, schlich sich ein noch betörenderer Geruch vor seine Nase, der ihn daran erinnerte, dass er zu tun hatte. Das aufreizende Duftbouquet lockte und rief, und Filou fiel in einen leichten Trab, bis er vor der Bäckerei angelangt war. Durch die geöffnete Tür sah er Madame aus dem Backzimmer eilen, im Arm ein dickes Bündel feiner Ficelles, extradünner, goldbrauner Weißbrotstangen. Madame war von der Hitze ganz rot im Gesicht, aus ihrem Haarknoten hatte sich eine Haarsträhne gelöst und kräuselte sich auf der weißen Bluse. Filou spürte ein verräterisches Zucken in seiner rechten Pfote. Wie gerne wäre er ihr auf den Arm gesprungen und hätte mit diesen verführerischen Locken gespielt!
    »Aber da ist er ja, mein Liebling!«, rief Madame, legte die Ficelles in einen der großen Körbe hinter dem Verkaufstisch, griff in das Körbchen mit den Croissants und eilte zur Tür. »Komm, mein schöner roter Kater, komm her zu mir«, lockte sie, ging in die Knie und hielt ihm ein Stückchen entgegen. Filou versuchte, sich würdig zu nähern, aber seine Schnurrbarthaare zitterten schon vor freudiger Erwartung. Dennoch zwang er sich dazu, ihr das Stück Croissant ganz besonders zart aus der Hand zu nehmen und es nicht allzu gierig zu verschlingen.
    Dann sah er hoch. Das war doch noch nicht alles? Natürlich nicht, das Beste kam wie jedes Mal zuletzt. Madame wusste, wie man sich beliebt macht. Sie begann hinter seinen Ohren, walkte sein Nackenfell und strich dann sanft das Rückgrat hinunter bis zur Schwanzwurzel, wo ihre Hand eine Weile provozierend knetend verharrte, um dann aufs Neue zu beginnen: von oben nach unten, immer fein mit dem Strich. Filou schnurrte und wand sich vor Vergnügen. Dies war ein Morgenritual, das er besonders schätzte.
    »Marie-Lou? Was ist! Wo bist du?«
    Oh, diese Stimme. Diese hässliche, laute, störende Stimme. Filou senkte die Rute, machte sich schlank und duckte sich unter der streichelnden Hand weg. Er hasste diese Stimme. Madame mochte sie offenbar auch nicht.
    »Ist ja gut!«, murmelte sie und richtete sich auf. »Ich komm ja schon!«
    Filou schoss wie ein Pfeil
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher