Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0050 - Der Stein des Satans

0050 - Der Stein des Satans

Titel: 0050 - Der Stein des Satans
Autoren: Susanne Wiemer
Vom Netzwerk:
diesmal erfasste der Lichtkegel einen schweren, verrosteten Eisenring, der etwa in Augenhöhe in die Mauer eingelassen war.
    Bill schob den Grundriss in die Tasche und ließ die Lampe in die Linke wechseln. Nicole spürte sein unmerkliches Zögern, als er an die Wand herantrat. Er griff nach dem Eisenring, zog erst vorsichtig daran, dann kräftiger – und im nächsten Moment zuckte er zusammen, als jäh das unheimliche Knirschen und Schaben in der Luft hing.
    Die Steine gaben nach.
    Nein, nicht die Steine – ganz eindeutig handelte es sich um dünne Platten, um Attrappen. Mörtel rieselte. Wie ein feiner Riss zeigte sich eine Linie um zwei Dutzend von den Steinquadern herum. Heller Staub wölkte auf, etwas kreischte ohrenbetäubend, und langsam und ruckend bewegte sich ein viereckiges Wandsegment um rostige Angeln.
    Die Geheimtür!
    Nicole biss sich auf die Lippen, und Bill sog scharf die Luft durch die Zähne, als er den Eisenring losließ und die Taschenlampe hob.
    Ein winziger, düsterer Raum tat sich in der Wand auf. Nur zwei Yard maß er, dann endete er vor einer weiteren Tür – und wie ein Geisterfinger tastete der Strahl der Lampe über sieben mächtige Riegel.
    Nicole starrte wie gebannt auf das dunkle Holz. Ihre Augen verengten sich, als sie die kreisrunden Tupfen über dem Spalt zwischen Tür und Rahmen erkannte, das karmesinrote Wachs und die hineingeprägten Adler und Lilien.
    »Das Siegel der Montagnes«, flüsterte sie. »Zamorra benutzt es heute noch. Sieben Siegel und sieben Riegel…«
    »Auf dass der verfluchte Geist sein Gefängnis nie mehr verlasse«, vollendete Bill heiser. Es sollte ironisch klingen – doch seine Stimme vibrierte leicht. »Natürlich ist das Unsinn. Das Schlimmste, was uns erwarten kann, ist der Anblick von Leonardos modernden Knochen.«
    Nicole presste die Lippen zusammen. Sie wusste, dass der Raum hinter der Tür etwas anderes barg als nur ein Gerippe. Sie spürte es förmlich. Sie spürte auch, dass Gefahr lauerte, dass es besser wäre, zurückzugehen und nicht an den sieben Siegeln zu rühren – aber irgend etwas, das stärker war als ihr klarer Verstand, trieb sie unwiderstehlich vorwärts.
    »Ob wir sie aufbekommen?«, fragte sie halblaut.
    Bill zuckte die Achseln. Auch er stand bereits unter einem geheimnisvollen Bann, ohne dass es ihm bewusst war. Mit einer raschen Bewegung reichte er Nicole die Taschenlampe, dann packte er den Griff des obersten Riegels und stemmte sich dagegen.
    Es ging leichter, als er gedacht hatte.
    Knirschend bewegte sich der armdicke Holzbalken in den Metalllaschen und gab den Türspalt frei. Bill schob den zweiten Riegel zurück, den dritten, schließlich den siebenten, der nur knapp zwei Fuß über dem Boden lag. Einen Moment lang zögerte er, dann packte er mit beiden Händen den dicken Metallknauf, von dem er annahm, dass sich mit seiner Hilfe die Tür bewegen ließ.
    Die Siegel brachen.
    Wachs sprang ab und fiel auf die Bodenplatten, mit einem gespenstischen Ächzen bewegte sich die Tür.
    Ganz langsam schwang sie auf. Nicoles Finger krampften sich um die Stablampe. Der Lichtkegel wanderte – und fiel in einen kleinen Raum, der nur wenige Quadratmeter maß und winzig genug war, um bis in den letzten Winkel ausgeleuchtet zu werden.
    Nicole hielt den Atem an.
    Neben ihr machte Bill einen Schritt in das Verlies hinein, und sie folgte ihm wie unter einem Zwang, obwohl sie den düsteren Hauch der Drohung spürte. Kalte, modrige Luft schlug ihr entgegen. Sie sah die feucht schimmernden steinernen Wände, sie sah die schwarze, nicht einmal übermäßig große Truhe auf dem Boden – und dann wurde ihr Blick magisch angezogen von dem monumentalen, in düsteren Farben brennenden Gemälde, das in einem schimmernden Goldrahmen an der Wand über jener Truhe hing.
    Leonardo…
    Er war es, kein Zweifel!
    Er musste es sein – Nicole spürte es mit jeder Faser.
    Leonardo de Montagne, der Schreckliche…
    Das Bild zeigte ihn in einem weißen, langwallenden Kreuzfahrermantel, zeigte ihn vor dem Hintergrund eines wilden Schlachtgetümmels in fremdartig anmutender Landschaft. Ritter in schweren Rüstungen schwangen ihre Schwerter. Pfeilhagel prasselten gegen kreuzgeschmückte Schilde, exotische, farbenprächtig gekleidete Gestalten flogen auf schnellen Pferden dahin. Staub wölkte über dem Kampfplatz, auf dem sich christliche Kreuzritter und mohammedanische Krieger ineinander verbissen hatten. Die grüne Erde war rot von Blut – und die erschreckend
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher