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0050 - Der Stein des Satans

0050 - Der Stein des Satans

Titel: 0050 - Der Stein des Satans
Autoren: Susanne Wiemer
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nicht…«
    »Willst du mich prüfen? Soll ich dir von den Gewölben deiner Burg erzählen, von den geheimen Verliesen, die unter den Schlossgraben gebaut sind? Wenn du zurückkommst, wirst du eine Kapelle errichten, Leonardo. Die Bildnisse von Heiligen werden an den Wänden hängen – aber auch das Bildnis Raymond Navarres. Weißt du es? War der Zeitpunkt schon da, wo du den Entschluss fasstest?«
    Leonardo wurde fahl. Seine Lippen zuckten. »Wie kannst du meine Gedanken lesen? Wie kannst du wissen, was ich noch niemandem erzählte, weil ich erst gerade beschloss – als Raymonds Leichnam verbrannte?«
    Für Zamorra war es einfach gewesen, das zu wissen – die Kapelle mit dem Bildnis Raymond Navarres hatte die Jahrhunderte überdauert. Er lächelte ernst.
    »Ich weiß noch mehr«, sagte er. »Ich weiß, dass es dir Unglück bringen wird, wenn du den ›Stern des Morgenlandes‹ behältst. Ich kenne das Böse in deiner Seele, Leonardo, und weiß, dass es siegen wird. Du wirst zurückkehren in deine Heimat, aber du wirst deine Seele dem Teufel verschreiben.«
    »Nein! Niemals! Ich habe immer für meinen Glauben gekämpft, ich…«
    »Du besiegeltest dein Schicksal, als du zum ersten Mal deine Hand ausstrecktest nach etwas, das dir nicht zukam. Achmans Sohn raubtest du die Frau. Das Amulett, das Achman dir zum Geschenk machte, war seine Rache.«
    Leonardo schüttelte verwirrt den Kopf. Seine Rechte tastete nach dem Talisman und zuckte zurück, als fürchte er sich, ihn zu berühren.
    »Es ist ein seltsames Ding«, murmelte er.
    »Es gibt dir Macht über Geister und Dämonen. Du wirst der Versuchung nicht widerstehen können. Hüte dich, Leonardo! Gib mir den Stein zurück, und benutze niemals das Amulett um der Macht und des Reichtums willen…«
    Leonardo stand wie gebannt. Sein Blick haftete an Zamorras Gesicht – ein Blick voll Ratlosigkeit, Zorn und aufdämmernder Furcht.
    Wieder tastete er nach dem Amulett, und diesmal schlossen sich seine Finger um das glänzende Silber. Ein Zucken lief über seine Züge, als er die unheimliche Strahlkraft spürte. Seine Augen flackerten auf – und mit einem wilden Ruck riss er sich den Talisman vom Hals und schleuderte ihn zur Seite.
    »Ich brauche ihn nicht!«, stieß er hervor. »Jetzt und nie! Ein Lügner bist du! Du kannst die Zukunft nicht sehen! Wenn du es könntest, wärest du nie hierher gekommen, denn dann hättest du gewusst, dass ich dich in Stücke hauen werde!«
    Bei den letzten Worten hatte er blitzartig das Schwert aus der Scheide gerissen. Wild holte er aus, mit verzerrtem Gesicht und brennenden Augen – und Zamorra blieb gerade noch Zeit, zu Albans Waffe an seiner Seite zu greifen.
    Er parierte den Hieb.
    Klirrend schlugen die Klingen aneinander, Leonardos Hand wurde gestreift – und in der Sekunde, in der ihn das Schwert des Feuers berührte, ging die gleiche Verwandlung mit ihm vor, die Zamorra bei den Kriegern des Kalifen beobachtet hatte.
    Es war, als verfalle Leonardo, von einer Sekunde zur anderen einem seltsamen Traum.
    Sein Arm sank herab.
    Mit einer gleichgültigen Bewegung schob er das Schwert in die Scheide. Er starrte Zamorra an, als sehe er ihn zum ersten Mal, und seine Augen wirkten seltsam leer und abwesend.
    »Warte«, murmelte er. »Ich werde ihn holen…«
    Und Zamorra wusste, dass der Brillant gemeint war, noch ehe Leonardo sich umwandte und wie eine Marionette in Richtung auf das Heerlager davonging.
    Ganz kurz verschwand er in dem halbzerfetzten Zelt.
    Als er zurückkam, funkelte etwas in seiner Rechten.
    Ruhig ging er auf Zamorra zu – und streckte ihm den Brillanten entgegen, dessen strahlenförmige Fassung wie ein goldener Stern wirkte…
    Zamorras Hand schloss sich um den Stein. Seine Gedanken wirbelten. Der Dämon würde sterben. Wenn der Fluch des Kalifen gelöscht war, würde er sich in das zurückverwandeln müssen, was er gewesen war – jene düstere Nachtseite in Leonardos Seele. Und Leonardo war es bestimmt, nach Château Montagne zurückzukehren und sein Schicksal zu erfüllen, ein Schicksal, das belastet war mit einem anderen, ebenso schlimmen Fluch, der als Unstern über dem Geschick seines ganzen Geschlechtes stehen würde. Ließ sich die Zukunft beeinflussen? Konnte man etwas ändern, der Bestimmung in den Arm fallen? Zamorra wusste es nicht – aber als sein Blick zu dem Amulett hinüberglitt, das im Sand lag, wusste er, dass er eine Entscheidung treffen musste.
    »Heb’ es auf«, sagte er leise. »Nimm es zurück!
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