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Zwischen zwei Nächten

Zwischen zwei Nächten

Titel: Zwischen zwei Nächten
Autoren: Edith Kneifl
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untergehenden Sonne und tauchte die Dächer der Nachbarhäuser in einen geheimnisvollen, orangeroten Glanz.
    Das Kerzenlicht flackerte, obwohl es durch ein Glas vor dem Wind geschützt war. Auf der weißen Tischdecke entstanden skurrile Schattenbilder.
    Eingewickelt in ihre Decken sahen die beiden Freundinnen aus wie zwei dicke, alte Squaws vor einem Lagerfeuer.
    „Gleich nach meiner Rückkehr werde ich mit der Wohnungssuche beginnen. Allerdings möchte ich gern in der Lower East Side bleiben, nicht nur aus finanziellen Gründen, sondern weil ich dieses Viertel einfach mag. Bist du einverstanden?“
    „Mir ist alles recht. Außerdem kenne ich mich in New York sowieso nicht aus.“
    „Und du denkst, es in zwei Monaten schaffen zu können? Die Scheidung, den Verkauf des Büros?“
    Anna nickte.
    „Es wird keine Probleme geben. Wahrscheinlich wird Paul die Angestellten behalten, vielleicht übernimmt er sogar Alfred, und wenn nicht, so ist das seine Sache. Den ganzen geschäftlichen Kram werde ich meinem Anwalt übergeben. Auch die Scheidung soll er erledigen. Schließlich wird er gut dafür bezahlt. Ich brauche mich also um nichts selbst zu kümmern, hoffe ich zumindest. Vielleicht muß ich noch einmal herüberkommen, aber das ist auch kein Problem. Ich habe mir alles genau überlegt. Länger als zwei Monate brauche ich sicher nicht, um meine Angelegenheiten in Ordnung zu bringen.“
    Sie grinste von einem Ohr zum anderen.
    „Was findest du denn so komisch?“
    „Ich habe gerade an das dumme Gesicht gedacht, das Alfred machen wird, wenn er es erfährt. Darauf freue ich mich am meisten.“
    „Er wird durchdrehen, wenn sein goldenes Vögelchen ausfliegt. Hoffentlich wird er nicht ausfallend oder gar handgreiflich werden. Am besten, du sagst es ihm in Gegenwart von anderen Leuten.“
    „Ich fürchte mich nicht vor ihm.“
    „Ich weiß, aber ich finde es klüger, wenn du ihm nichts von deinen Plänen erzählst, und einfach abhaust. Er ist ohnehin viel unterwegs, und eines Tages wird eben das liebe Eheweib bei seiner Rückkehr nicht mehr da sein. Das ist nicht dein Stil, oder? Mach es, wie du es für richtig hältst, aber mach es gut.“
    „Ich werd das schon hinkriegen.“
    „Sollen wir uns gleich einen fixen Termin ausmachen? Sagen wir heute in zwei Monaten? Du brauchst dann nur anzurufen, wenn dir etwas dazwischenkommt. Sonst stehe ich am 15. August, pünktlich um vierzehn Uhr, am John F. Kennedy und sehe mir die Landung deiner Maschine an.“
    „Maria Himmelfahrt, gut, abgemacht.“
    Anna lachte und umarmte ihre Freundin. Die Liegestühle krachten, und Ann-Maries Decke rutschte zu Boden.
    „Mir ist nicht kalt, aber heiz ruhig ein, wenn du willst.“
    Er macht jedoch keine Anstalten, in den Keller zu gehen.
    Ann-Marie sucht weiter, sogar im Wäscheschrank sieht sie nach. Keine Spur von den kleinen, schwarzen Büchern.
    Sie sieht ziemlich verzweifelt aus. Kurzsichtige haben oft diesen verzweifelten Blick, wenn sie etwas, das ihrer Meinung nach da sein müßte, nicht finden können.
    Sie hofft, ihre Stimme würde ganz normal klingen, als sie fragt: „Hast du eine Ahnung, wo Anna ihre Tagebücher aufbewahrt hat? Ich hätte gern die alten, in denen sie unsere wilden Jahre beschrieben hat.“
    Bildet sie sich nur ein, daß er sie mißtrauisch ansieht?
    „Ich habe mich schon gewundert, was du im Wäscheschrank suchst. Ich weiß nicht, wo sie sind, glaube aber, daß sie damals, als wir die Wohnung renoviert haben, alle weggeschmissen hat. Seit sie auf der Couch lag, hat sie nicht mehr das Bedürfnis gehabt, jede Kleinigkeit schriftlich festzuhalten.“
    Er lügt schon wieder. Aber dieses Mal werde ich ihn nicht so leicht davonkommen lassen.
    „Da irrst du dich aber, Alfred, sie hat mir erzählt, daß sie gerade über ihre Analyse genauestens Tagebuch geführt hat.“
    „Davon weiß ich nichts, doch wir können ja gemeinsam suchen.“
    Jetzt ist Ann-Marie überzeugt, daß jegliches Suchen vergebliche Liebesmühe wäre. Hätte er die Tagebücher in der Wohnung versteckt, würde er sie nicht bereitwillig alles durchwühlen lassen.
    „Es ist nicht so wichtig, ich hätte sie nur gern gelesen. Aber wenn du sagst, daß sie nicht mehr existieren, dann kann man eben nichts machen.“
    „Vielleicht irre ich mich auch. Sollten sie mir eines Tages unterkommen, werde ich sie dir schicken, okay?“
    Es ist nicht viel, was ihr von Anna geblieben ist. Alfred scheint ihr die Enttäuschung anzumerken und schlägt großzügig
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