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Zwischen zwei Nächten

Zwischen zwei Nächten

Titel: Zwischen zwei Nächten
Autoren: Edith Kneifl
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Holztisch mit einem weißen Tischtuch, Kerzenleuchtern und Silberbesteck in eine festliche Tafel.
    Die Pasta asciutta schmeckte, wie erwartet, hervorragend. Da der Tisch für Ann-Marie zu hoch war, nahm sie ihren Teller auf den Schoß und wickelte mit erstaunlicher Geschwindigkeit und ohne einen Löffel zu benützen, die extralangen Nudeln um die Gabel.
    „Du kannst das besser als die Italiener“, stellte Anna anerkennend fest.
    „Bei unserem Alkoholkonsum braucht man schon eine ordentliche Unterlage.“
    Ann-Marie schöpfte sich noch eine zweite Portion Spaghetti auf den Teller.
    „So und jetzt kannst du mich rollen. Ich habe viel zuviel und viel zu schnell gegessen. Was ich jetzt am dringendsten brauche, ist eine Zigarette.
    Anna hörte sie nicht mehr. Sie war schon wieder in der Küche verschwunden.
    „Immer muß sie gleich den Tisch abräumen, richtig zwanghaft, man kann nicht einmal in Ruhe rauchen.“
    Ann-Marie nahm einen Zug von Annas Zigarette, die unausgedämpft im Aschenbecher lag, stand dann auf und zog Rock und Bluse an.
    Als er sich wieder hinsetzt, rückt sie ein Stück von ihm weg, senkt verschämt die Lider und säuselt mit zuckersüßer Stimme: „Ich bin heilfroh, daß du mir wegen dieser Geschichte nicht böse bist. Aber ich kann den Gedanken, daß unsere Beziehung mit ein Grund für Annas Verzweiflung gewesen sein soll, nicht ertragen. Bitte reden wir nicht mehr darüber. Ich würde jetzt gern die Sachen, die ich mitnehmen darf, zusammenpacken. Du brauchst mir dabei nicht zu helfen. Bleib sitzen und trink in Ruhe deinen Whisky, ich werde schon alles finden. Ich versprech dir auch, daß ich nichts mitgehen lasse.“
    Ein schwacher Scherz, das weiß sie selbst.
    Sie hofft noch immer, daß er sie endlich einmal eine Weile allein läßt. Doch er folgt ihr in Annas Schlafzimmer.
    Sie findet ihre Briefe in einer hübschen, altmodischen Schatulle. Anna hat nicht nur ihre wenigen Briefe, sondern auch alle anderen Kleinigkeiten, die sie ihr im Laufe der Jahre geschickt hat, sorgfältig aufbewahrt. Gerührt betrachtet Ann-Marie die alten Jugendfotos. Ganz unten liegen noch Fotos aus ihrer Kindheit: Erstkommunion, Schulschluß, Wandertage.
    Sie beugt sich tief über die Bilder und hofft, daß Alfred ihre Tränen nicht bemerkt.
    Aber er ist ein aufmerksamer Beobachter und fährt ihr väterlich durchs Haar. Als sich seine Lippen ihrer Wange nähern, stößt sie ihn weg und läuft ins Bad.
    Im Spiegel über dem Waschbecken betrachtet sie ihr Gesicht, das um Jahre gealtert scheint. Ihr Augen-make-up hat sich verwischt. Schwarze Tuschreste kleben auf ihren feuchten Wangen. Annas Kosmetika liegen verstreut auf der kleinen Kommode neben dem Waschbecken. Sie greift nach einem Papiertaschentuch und muß gleich noch mehr heulen.
    Alfred klopft an die Badezimmertür und fragt, ob er ihr helfen kann.
    Ann-Marie schluchzt heftig, gibt ihm aber keine Antwort. Dann dreht sie den Wasserhahn auf und hält ihr fleckiges Gesicht unter den heftigen Strahl. Das eiskalte Wasser verschafft ihr zwar keinen klaren Kopf, aber nach ein paar Minuten fühlt sie sich wieder imstande, Alfred gegenüberzutreten.
    Relativ gefaßt verläßt sie das Bad und entschuldigt sich für ihr hysterisches Verhalten.
    „Da gibt es nichts zu entschuldigen. Du brauchst dich deiner Tränen vor mir nicht zu schämen.“
    Sie bittet ihn, ein paar von den alten Fotos mitnehmen zu dürfen.
    Er protestiert nicht, als sie auch neuere Fotos von Anna einsteckt.
    „Ich kann sie mir jederzeit nachmachen lassen, ich besitze ja noch die Negative“, beantwortet er ihren fragenden Blick.
    Während sie weiter in Annas Sachen herumkramt, spaziert er im Zimmer auf und ab. Als er gerade einmal nicht herschaut, läßt sie auch ein paar Schmuckstücke, die Annas Mutter gehört hatten, mitgehen.
    Besser ich trage das Zeug als diese Margot.
    Plötzlich spürt sie seine Hand auf ihrer Schulter. Sie fühlt sich ertappt und errötet. Betont langsam dreht sie sich um und blickt ihm unverschämt in die Augen.
    „Ich fürchte, ich muß jetzt doch noch in den Keller und die Heizung einschalten. Ist dir nicht auch kalt?“
    Erleichtert schüttelt sie den Kopf.
    Anna brachte zwei Wolldecken mit. Sobald die Sonne weg war, wurde es frisch. Auch sie fühlte sich jetzt halbwegs wohl auf der Terrasse. Mit Ann-Marie an ihrer Seite schwanden ihre Ängste überraschend schnell.
    Die Dämmerung senkte sich über die Stadt. Das Licht der Straßenbeleuchtung vermischte sich mit der
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