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Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters

Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters

Titel: Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters
Autoren: Bernd Stöver
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Ideologie und Atomwaffen
    Der Begriff des Kalten Krieges stammt aus dem Jahr 1946, wurde 1947 als öffentliches politisches Schlagwort geläufig und ab 1950 auf beiden Seiten des «Eisernen Vorhangs» so üblich, daß er in der Literatur bis heute Tausende von Titeln geprägt hat. Es erstaunt daher ein wenig, daß eigentlich alles an ihm mit einem Fragezeichen zu versehen ist: seine Herkunft, sein Anfang und sein Ende, sein Inhalt, und nicht zuletzt seine exakte Definition. Dies mag neben vielen anderen Gründen vielleicht auch daran liegen, daß schon das Bild, das die Metapher vermittelt, erkennbar schief ist. Je kälter der Kalte Krieg in seinen verschiedenen Phasen war, desto näher war der Konflikt an der militärischen Auseinandersetzung, die seit den fünfziger Jahren den begrenzten, seit den sechziger Jahren den globalen Atomkrieg mit einschloß. 1 Gräbt man nach dem Ursprung des Begriffs, zeigt sich, daß die dahinterstehende Vorstellung tatsächlich von Anfang an eng mit der Entwicklung der neuesten und zerstörerischsten Waffe zu tun hatte, die bisher von Menschen erfunden worden war. «Die Bombe» ließ nichts von dem, was bis dato galt, unberührt.
    Der Begriff des Kalten Krieges stammte, wie eine in vielen Zeitungen veröffentlichte Meldung der Nachrichtenagentur Associated Press schon 1950 enthüllte, keinesfalls von dem bekannten Journalisten Walter Lippmann, den die meisten wegen seiner 1947 veröffentlichten Broschüre The Cold War für den Erfinder hielten, sondern von Herbert B. Swope, einem Journalisten und Mitarbeiter des langjährigen Präsidentenberaters, Bernard M.Baruch. Die in den Jahren des Ersten Weltkriegs begonnene Zusammenarbeit mit Baruch führte Swope 1946 auch in die US-Delegation bei der «Kommission zum Studium internationaler Kontrolle der Atomenergie» der Vereinten Nationen (UNO). 2 Ihre Aufgabe war, auszuhandeln, ob und inwieweit sich die Sowjets, die früher oder später im Besitz von Nuklearwaffen sein würden, sich in eine globale Abmachung zur Nichtverbreitung von Atomwaffen einbinden lassen würden. Das Vorhaben beruhte auf einer von Großbritannien, den USA und Kanada bereits im November 1945 verabschiedeten Atomcharta: Eine internationale Kontrolle sollte alle Vorhaben überwachen, die auf der neuen Kerntechnik fußten. Es waren diese Verhandlungen zwischen der amerikanischen und der sowjetischen Delegation, die Herbert Swope, der am Ende des Ersten Weltkriegs 1918 manchmal noch als «Roter» und Sympathisant der Sowjets gegolten hatte, 3 schließlich zu der Vorstellung führten, dies sei nun wirklich «der Kalte Krieg». Dahinter stand bereits die Furcht, daß ein zukünftiger Krieg früher oder später ein nuklearer sein werde, wie Baruch später in seinen Memoiren ausdrücklich bestätigte. 4
    Das gesamte Jahr zwischen den Atombombenabwürfen auf die japanischen Städte Hiroshima und Nagasaki im August 1945 und den von Baruch am 14. Juni 1946 vorgelegten amerikanischen Vorschlägen war von apokalyptischen Szenarien geprägt gewesen, die auch vor der Öffentlichkeit ausgebreitet wurden. US-Präsident Truman hatte bereits in seiner Rundfunkansprache am 9. August 1945, als die zweite Atombombe gerade Japan getroffen hatte, ausdrücklich von der Gefahr eines Dritten Weltkriegs gesprochen, der nach seiner Auffassung auch nuklear geführt werden würde. 5 Zeitschriften wie LIFE hatten bereits unmittelbar danach Nuklearkriegsszenarien ausgebreitet, die später auch von deutschen Magazinen wie Der Spiegel nachgedruckt wurden. 6 Auch die Elite amerikanischer Atomphysiker, die zuvor am sogenannten Manhattan-Projekt, der Entwicklung der ersten Atombombe, beteiligt gewesen war, hatte 1946 in einer Broschüre unter dem Titel One World or None eine apokalyptische Zukunft entworfen, falls es nicht gelingen würde, das gegenseitige Mißtrauen zwischen «Ost» und «West» zu überwinden. Die Wissenschaftler leiteten aus der Erfindung der Atombombe ab, daß alle Kriterien bisheriger Nationalstaatspolitik dadurch aufgehoben seien. Vor der nuklearen Zerstörung schütze nur der radikale Austausch aller Geheimnisse in dieser Waffentechnik und die internationale Zusammenarbeit. 7 Albert Einstein, dem später das Bonmot zugeschrieben wurde, er wisse zwar nicht, wie der Dritte Weltkrieg geführt, wohl aber, wie der Vierte ausgetragen werde: mit Stöcken und Steinen, 8 gehörte dazu, aber auch J. Robert Oppenheimer, der wissenschaftliche Kopf hinter der Entwicklung der ersten Atombombe.
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