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Zwischen zwei Nächten

Zwischen zwei Nächten

Titel: Zwischen zwei Nächten
Autoren: Edith Kneifl
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rücksichtslos und brutal gewesen, und Ann-Marie wollte sie eines Tages dafür zur Rechenschaft ziehen. Egozentrisch wie Anna nun einmal war, dachte sie, daß nur sie unter der Trennung von ihrer Freundin litt. Sie fühlte sich unverstanden, verletzt und schien überhaupt nicht wahrzunehmen, wie sehr sie die Freundin verletzt hatte.
    Ann-Marie versuchte die traurigen Erinnerungen zu verjagen, so wie sie es jahrelang versucht hatte. Aber sie wußte, daß sie nicht vergessen konnte.
    Ist es nicht vernünftiger, reinen Tisch zu machen, bevor wir es noch einmal miteinander probieren? Wie soll ein Zusammenleben funktionieren, wenn ich ihr noch immer gram bin und nicht verzeihen kann, was Jahre, ja beinahe zwei Jahrzehnte zurückliegt?
    „Sie hat mir von eurer Beziehung erzählt, auch von euren Schwierigkeiten und Ängsten. Ich bin ein fortschrittlich denkender Mann, ich war nicht eifersüchtig, ein wenig befremdet vielleicht, doch ich habe ihr sogar vorgeschlagen, es zu dritt zu versuchen. Eine ménage à trois, ich hätte beileibe nichts dagegen gehabt. Du hast mir schon immer gut gefallen.“
    Er schenkt ihr ein anzügliches Lächeln.
    Du Schwein!
    Aus ihrem blassen Gesicht ist noch der letzte Rest von Farbe gewichen.
    „Aber sie hat nichts davon hören wollen. Immer hat sie alles für sich haben müssen, doch Menschen kann man nun einmal nicht besitzen. Oder bist du anderer Meinung?“
    Ann-Marie gibt ihm keine Antwort, sondern starrt ihn nur mit weit aufgerissenen Augen an.
    „Ich fürchte, daß sie diese ungewöhnliche Beziehung zu dir sehr mitgenommen hat. Sie hat unter Schuldgefühlen gelitten und betont, daß Sex für euch eine untergeordnete Rolle gespielt hätte. Als aufgeschlossener Mensch toleriert man Homosexualität zwar bei den anderen, aber bei sich selbst?“
    Ann-Marie kann sich nicht mehr länger beherrschen.
    „Ich glaube, du spinnst, Alfred.“
    „Es hat keinen Sinn zu leugnen, mein Kind, Anna hat mir alles gestanden.“
    Sein selbstzufriedenes Grinsen macht Ann-Marie rasend.
    Sie versucht an Anna zu denken, an ihr Lächeln, an ihre schönen, blauen Augen, aber auch zu Anna will ihr momentan nichts Erfreuliches einfallen.
    Nachdem Anna ihr Architekturstudium in der vorgeschriebenen Zeit beendet hatte, versuchte sie sich als freischaffende Architektin durchzuschlagen. Sie weigerte sich standhaft, im Büro ihres Vaters zu arbeiten, und lebte mit Ann-Marie in einer kleinen, dunklen Bassena-Wohnung; das Klo teilten sie mit zwei anderen Parteien.
    Ann-Marie entschied sich etwa zur selben Zeit, ihr Studium abzubrechen. Sie nahm jede Arbeit an, die sie kriegen konnte, jobbte als Kellnerin, Putzfrau und Zettelverteilerin. Beide waren erfolglos und frustriert. Sie träumten davon, gemeinsam wegzugehen und es woanders zu versuchen. Doch Anna schob ihre Abreise immer wieder hinaus. Sie schwelgte in Depressionen, arbeitete monatelang nichts und ließ sich schließlich, als ihr das Geld ausging, wieder von ihren Eltern unterstützen, die selbstverständlich Bedingungen an den monatlichen Scheck knüpften. Damals kam es zu den ersten ernsthaften Zerwürfnissen zwischen den beiden Frauen. Anna warf ihrer Freundin vor, schrecklich puritanisch zu sein und von ihr die gleichen Einschränkungen zu verlangen wie von sich selbst. Ann-Marie konterte, indem sie ihr Oberflächlichkeit und Verwöhntheit vorwarf.
    Anna hatte die ständige Knappheit und den täglichen Kampf um die einfachsten Dinge bald satt. Sie sehnte sich danach, endlich ihren Beruf ausüben zu können, und wußte auch, wie man hochkam, hinaufkriecht oder sich hinaufschläft als Frau. Da sie also über die Verhältnisse, über die Art, wie es funktionierte, genauestens Bescheid wußte, wollte sie den leichteren Weg gehen.
    Sich hineinfallen lassen in ein gemachtes Bett , nannte es Ann-Marie.
    Sie hatten mit großen Illusionen begonnen, wollten es anders machen als die anderen, besser und ehrlicher, aber es mangelte ihnen andauernd an Geld. Die Schecks der Eltern blieben wieder aus, als sich Anna nicht an die Bedingungen hielt. Sie begannen wegen jeder Kleinigkeit zu streiten, lagen sich in den Haaren wegen Nichtigkeiten. Anna ertrug es nicht länger, nur von Tagträumen zu leben, die nicht die geringste Chance besaßen, realisiert zu werden. Als sie die Sorgen um die Befriedigung der elementarsten existentiellen Bedürfnisse völlig zermürbt hatten, warf sie das Handtuch und stieg in den florierenden Betrieb ihres Vaters ein.
    Eine ganz banale
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