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Zwischen zwei Nächten

Zwischen zwei Nächten

Titel: Zwischen zwei Nächten
Autoren: Edith Kneifl
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Geschichte – ihre Geschichte.
    Drei Monate später war Ann-Marie verschwunden, abgehauen ins ferne New York. Sie hatte mit niemandem darüber gesprochen, sondern einfach die Konsequenzen gezogen, ohne Kompromiß, enttäuscht von der Freundin, die plötzlich zehn Stunden täglich in einem stickigen Büro verbrachte und nichts anderes mehr im Kopf zu haben schien als Arbeit, Geld und eine komfortable Wohnung. Gefangen im altbekannten Wohlstand, krank vor Ehrgeiz und Profilierungssucht – die Phase ihrer Selbstzerstörung begann.
    Ann-Marie wollte dieser Entwicklung nicht länger zusehen. Sie konnte die Anpassung ihrer Freundin nicht ertragen. Anna hatte ihre gemeinsamen Träume verraten und all ihre Hoffnungen zerstört.
    „Ich weiß nicht, wovon du sprichst.“
    „Du wirst doch nicht abstreiten wollen, daß eure Beziehung über eine normale Frauenfreundschaft weit hinausgegangen ist. Anna hat sogar von Liebe gesprochen.“
    „Ja, wir haben uns geliebt, aber deshalb sind wir noch lange keine Lesben gewesen, egal wie du darüber denkst.“
    Ann-Marie hat sich jetzt wieder besser in der Gewalt.
    „Würdest du mir dann bitte erklären, warum sie Höllenqualen ausgestanden hat vor lauter Angst, daß es jemand erfahren könnte? Ich habe ihr hoch und heilig versprechen müssen, es niemandem zu erzählen.“
    Anna hat sich längst nicht mehr um die Meinung anderer gekümmert , denkt Ann-Marie, aber sie will ihn nicht noch mehr reizen.
    „Außerdem hat sie befürchtet, daß es für dich nur ein flüchtiges Abenteuer sein könnte, und du bald von ihr genug haben würdest.“
    Niemals hätte Anna das von mir gedacht , lautet Ann-Marie stummer Kommentar.
    Er ist zu weit gegangen. Sie läßt sich nicht länger provozieren, findet es unter ihrer Würde, ihre Liebe Alfred gegenüber zu verteidigen.
    Er scheint ihre Gelassenheit zu spüren und beeilt sich, seinen Worten Nachdruck zu verleihen.
    „Ja, auch darüber hat sie mit mir gesprochen. Ich habe sie beruhigt, so gut ich konnte, habe versucht ihre Ängste zu zerstreuen. Aber ich fürchte, es ist mir nicht gelungen.“
    Sicher nicht.
    „Du besitzt eine rege Phantasie, Alfred.“
    Sie bereut diese Bemerkung gleich wieder.
    Scheinbar desinteressiert an dem Gespräch, greift sie nach einer Zigarette und bietet auch ihm eine an. Er ist aber nicht gewillt, dieses Thema so schnell wieder fallenzulassen.
    Doch jetzt war nicht der geeignete Zeitpunkt für eine langwierige und schmerzhafte Auseinandersetzung. Anna schien nicht sehr belastbar.
    Warum soll ich die alten Geschichten wieder aufwärmen, sie damit quälen? Ich bin gekommen, um zu helfen, nicht um Vorwürfe zu machen und alte Rechnungen zu begleichen.
    Ann-Marie versuchte ein Lächeln. Unsicher lächelte Anna zurück.
    „Prost“, sagte Ann-Marie und hob das leere Glas.
    „Gibt es denn in diesem Haus nichts Anständiges zu trinken?“
    Anna eilte in die Küche und holte die Whiskyflasche und einen Sektkübel mit Eis.
    „Laß uns auf New York trinken. – Also, wann gedenken Madame zu kommen?“
    Verblüfft stellte Anna ihr Glas auf den Tisch.
    „Aber du willst doch gar nicht, daß ich komme.“
    „Blödsinn. Denkst du im Ernst, daß ich dich nicht bei mir haben will? Du bist eine Idiotin. Nach zwanzig Jahren verwirklicht sich endlich mein Jugendtraum, und du glaubst, ich bin so blöd und laß mir diese Chance entgehen?“
    Anna schaute sie noch immer ungläubig an.
    „Wartest du darauf, daß ich dich auf Knien bitte, mein kleines Glück mit mir zu teilen? Das täte dir so passen. Aber da hast du dich schön geschnitten, ich heiße ja nicht Alfred. Für mich ist die Sache von Anfang an klar gewesen. Dein Brief hat sich auch nur schwer mißverstehen lassen. Ich freue mich auf dein Kommen, du ahnst gar nicht, wie sehr ich mich freue. Ich habe nur gedacht, ich müßte dir ein bißchen Dampf unterm Hintern machen, sonst würde es noch Jahre dauern, bis du deine lahmen Beine in Bewegung setzt. Auch ich habe mich geändert, Anna. Mir ist bewußt, daß ich damals viel zu viel von dir verlangt habe, vielleicht auch von mir selbst. Heute weiß auch ich ein komfortables Leben zu schätzen. Das heißt nicht, daß ich mich von dir aushalten lassen werde, aber ich habe nichts dagegen, wenn wir das Leben ein bißchen genießen. Dennoch habe ich dir ein wenig Angst einjagen müssen. Du bist manchmal, trotz deiner vierzig Jahre, sehr naiv und leichtgläubig. Wie lange, denkst du wohl, wird dein Geld reichen? Fünf, sechs Jahre,
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