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Zwischen den Zeilen

Zwischen den Zeilen

Titel: Zwischen den Zeilen
Autoren: Benedikt Altmann , Berthold F. Bauer
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Fußballspieler das durchgeschwitzte Leiberl seines unterlegenen Gegenspielers nach dem Match beim gemeinsamen Trikottausch. Schließlich hatte er ja vorher dort unten im Partykeller auch verdammt hart dafür gearbeitet.
    Als er sich neben mich auf die Couch setzte, fühlte ich den trocknenden Geruch von Schweiß und Wichse auf seinem Körper, und obwohl die Türe nach wie vor offen stand, drückte ich scheinbar schon intuitiv den Knopf, der draußen das rote » Bitte Warten« -Schild aufleuchten ließ.
    »Hast Du den Andi denn auch gut zugedeckt?« fragte ich ihn.
    »Ja. Klar. Er schläft jetzt«, grinste Nicki zurück und fuhr wie zur Bestätigung seiner Worte unten über Andis roten Pullover. Ich konnte so sehen, dass Nicki den Pullover nun direkt auf seiner Haut trug. Offenbar hatte er ihn sich nur schnell übergeworfen, als er vor einigen Minuten noch mal ganz spontan aus dem Bett heraus gesprungen war.
    Es war nun in der ganzen Hektik der abgelaufenen Woche das erste Mal, dass wir bei meinem zweiten Besuch hier an dieser Schule allein miteinander waren.
    Ich drückte die Stopptaste des Rekorders. »Möchtest du vielleicht auch einen kleinen Schluck, Nicki?«
    »Mmmmh. Wir haben uns eigentlich gerade erst oben beim Andi im Zimmer eines seiner komischen Jägermeisterfläschchen geteilt. Und eigentlich trink’ ich ja inzwischen auch überhaupt gar keinen Alkohol mehr.«
    Soso. Das waren ja ganz neue Töne. Offenbar hatte sich Nicki seit März nicht nur äußerlich, sondern auch grundlegend in seinen Einstellungen verändert. Er übernahm jetzt ja plötzlich richtig Verantwortung. Für sich selbst und seit heute Nacht ja auch für andere in der Gemeinschaft. Ich freute mich für ihn, einerseits, aber andererseits schmerzte es mich auch, ihn jetzt hier so solide und gefestigt zu erleben, denn ich sah in ihm sehr deutlich wieder meinen jüngeren Bruder. Wie er hätte werden können, wenn er seinen ausufernden Drogenkonsum doch noch irgendwie rechtzeitig in den Griff bekommen hätte.
    Trotzdem goss ich ihm einen Whiskey ein. Zwei Finger breit. Etwas pubertäres Verhalten schadete jetzt ganz sicher nicht, schon gar nicht in dieser Klosternacht . Da war es sogar ganz geil und nicht vollständig unangebracht, ein wenig unvernünftig zu sein.
    »Wenn ich Dir jetzt hier gleich alles voll kotzte, dann bist Du Schuld, Herr Bauer «, grinste mich Nicki nun an und nippte vorsichtig an seinem Glas.
    Schon etwas erstaunt blickte er hinüber auf das ordentliche, immer noch völlig unberührte Bett im Schlafbereich meiner Gästewohnung. Ganz offenbar hatte Nicki dort nach der ganz besonderen Atmosphäre, die vorher dort unten im Partykeller geherrscht hatte, ein völlig anderes Bild erwartet. So wie damals, als er mich hier am späten Nachmittag besuchte, nachdem ich bei Buch assistiert hatte.
    » Du hast Dich ja noch überhaupt nicht hingelegt?!« stellte er dann wissend im Ton einer Frage fest.
    »Nö, mir war einfach noch nicht danach.«
    Nicki: »Wollen wir uns denn vielleicht dann zusammen jetzt diese schöne Musik zu Ende anhören?«
     
    Ich nickte Nicki zu und spulte das Tape wieder zurück an den Anfang. Man konnte dieses Stück einfach nicht auseinander reißen und auf zwei Etappen anhören. Deshalb hatte ich es ja auch gleich auf einem 120er Tape aufgenommen, denn so konnte man die gesamten knapp vierundfünfzig Minuten an einem Stück ohne Unterbrechung durchhören.
    Ich goss mir erneut drei Finger breit schottischen Whiskey in mein Glas und drückte die Play Taste. Nicki streckte sich neben mir auf der Couch aus. Auch seine Socken waren ziemlich verschwitzt. Er sollte morgen früh nun aber wirklich ganz dringend zum Duschen gehen.
    »Ich… Ich hab’ diese Musik noch nie vorher gehört? Was ist es?« fragte er mich.
    » ’ La chuté de la Maison Usher ’ . Es existiert eigentlich nur als Fragment und als Sammlung von Entwürfen«, antwortete ich. »Der Künstler starb, bevor er es zu Ende bringen konnte.«
    Nicki: »So wie Mozart bei seinem Requiem ?«
    »Ja, ganz ähnlich. Nur dass hier das Material wohl noch viel weniger ausgearbeitet war. Es gab oft nur Skizzen von einzelnen Szenen. Der Musikwissenschaftler oder der Komponist, der nun versucht, das Ganze zu restaurieren oder fortzuschreiben, braucht dabei echt die geniale Fähigkeit zwischen den Zeilen lesen zu können.«
    Nicki: »Das ist es ja gerade. Das Rätselhafte ist es, was dann gerade den ganz besonderen Reiz ausmacht. Wir haben da erst letzten Sommer
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