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Zwischen den Zeilen

Zwischen den Zeilen

Titel: Zwischen den Zeilen
Autoren: Benedikt Altmann , Berthold F. Bauer
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relativieren oder gar rechtfertigen, was sich wohl gerade vorhin so alles zwischen ihm und dem Andi abgespielt hatte, berichtete mir Nicolas nun in allen Einzelheiten, wie er und seine Freundin in den gerade zu Ende gegangenen Sommerferien bei sich Zuhause immer wieder und wieder heftig und intensiv miteinander gevögelt hatten. Nicki öffnete mir sich dabei so weit, wie man sich bei solchen Dingen wohl nur seinem eigenen Bruder offenbaren kann. Nicht seinem besten Freund und schon gleich gar nicht der eigenen Mutter. Denn durch die Aufrichtigkeit seines Herzens wurde man dadurch auch auf einmal selbst sehr, sehr verletzlich. Auf die genaue Widergabe der Einzelheiten von Nickis sommerferienhaften Bettgeschichten möchte ich daher hier auch Abstand nehmen. Nur soviel sei verraten, dass er in all diesen Ferienwochen nach der Liste in seinem roten Notizbuch insgesamt vierundsiebzig interaktive Samenergüsse bei sich gezählt hatte. Zusätzliche Selbstbefriedigung und spontanes nächtliches Abspritzen ganz ohne Zugreifen dabei noch gar nicht einmal mit eingerechnet.
     
    »Und Du?« fragte er mich dann. »Was macht denn Deine Freundin so? Studiert sie auch Lehramt?«
    »Es gibt keine«, antwortete ich ohne jedes Zögern. Denn die jetzige Situation in diesem Zimmer entschuldigte nun kein Ausweichen und kein Rumgedruckse mehr, nachdem sich Nicki mir gerade eben vollständig bis unter seine komplett zurückgezogene Vorhaut anvertraut hatte.
    »Ich habe einen Freund.«
    Nicolas nickte. Aber er verstand nicht.
    Noch nicht.
    »Okay«, sagte er dann nach einer kurzen Pause, »dann erzähl mir halt was von Deinen schnuckeligen Betthäschen, Deinen One-Night-Stands. Du kannst mir doch nicht erzählen, dass Du wie ein Mönch lebst. So gut, wie Du aussiehst?«
    »Es gibt keine Betthäschen und es gibt auch keine One-Night-Stands. Tut mir leid, Nicki. Vielleicht findest Du mich ja jetzt wirklich etwas langweilig. Aber es gibt nur meinen Freund.«
    Hinter Nickis haarfreier Stirn begann es erkennbar zu arbeiten. In einem Zug leerte er sein restliches Glas.
    »Ja, bist Du denn dann etwa schwul, oder was?« grinste er mich an, und er meinte diese Frage wohl zuerst wirklich noch als reinen Scherz, um mich aus der Reserve zu locken, damit auch ich ihn nun mit ein paar schlüpfrigen Details über die Mädchen in meinem Bett und aus meinem Liebesleben erfreute.
    Ich nickte ihm zustimmend zu, wieder ohne jedes Zögern.
    Jetzt konnte ich auch im warmen Licht hier im Zimmer erkennen, wie Nicki das Blut aus seinem Gesicht wich. Dann begann er zu lachen. Ungläubig zu lachen, wie ein kleines Kind.
    »Neee, jetzt verarscht Du mich aber ganz toll, oder?« suchte er noch nach einem letzten Ausweg.
    »Keineswegs«, schüttelte ich schnell meinen Kopf.
    Dann schwiegen wir für einige Minuten und Nicki goss sich selbst ungefragt ein zweits Glas ein. Dieses Mal mindestens vier Finger breit.
    »Ooooookaaaaaay!« sagte er dann nach einigen Schlücken und betonte die Vokale in ihrer Dehnung ganz so, wie Buch es immer zu tun pflegte.
    Damit schien die Sache für ihn nun zunächst wohl auch einmal definitiv erledigt. Er wollte es im weiteren Verlauf meines Praktikums wohl auch zumindest von sich aus nun nie mehr wieder auch nur mit einem einzigen Wort erwähnen. Es blieb ganz offenbar erst einmal ohne jeden weiteren Einfluss auf unsere Stellung zueinander. Es war fast irgendwie so, als hätte ich ihm gerade bloß das peinliche Geständnis gemacht, bei meiner ersten Bundestagswahl vor zwei Jahren meine Kreuze bei der SPD gemacht zu haben. Wo doch jeder wusste, dass die FDP hier an dieser Schule die einzig wirklich wählbare Partei darstellte, und fast alle Schüler hier schon seit jeher immer bei den Julis organisiert waren.
    Nachdem Nicki den restlichen Whiskey nun fast schon etwas zu schnell in sich hinein geschüttet hatte, blickte er hinüber in den Schlafbereich meines Appartements, hinüber auf mein frisch gemachtes, immer noch unberührtes Bett.
    »Wenn Du mir jetzt einen Platz zum Schlafen anbietest, dann bleib’ ich auch gern hier«, sagte er dann. »Denn hier in den Gästeappartements liegt oben im Schrank immer noch eine zweite Decke, falls im Herbst wieder mal die Heizung noch nicht richtig arbeitet. Kein Junge hier sollte in der Klosternacht allein bleiben. Auch Du nicht.«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Geh’ wieder hoch zum Andi. Der braucht Dich im Moment doch viel mehr. Wenn er aufwacht, fragt er sich bestimmt schon, wo Du denn die ganze
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