Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zwischen den Zeilen

Zwischen den Zeilen

Titel: Zwischen den Zeilen
Autoren: Benedikt Altmann , Berthold F. Bauer
Vom Netzwerk:
in der Projektwoche ganz ausführlich darüber gesprochen. Das Requiem hätte niemals diese Aura des Rätselhaften, des unvergleichbar Großartigen, wenn Mozart erst mit Achtzig gestorben wäre und es immer wieder und wieder hätte überarbeiten und damit ganz normal vollenden hätte können. So aber hat er es im Wettlauf mit dem eigenen Tod verfasst und kam nicht mehr zum Abschluss. Wie wichsen ohne richtiges Abspritzen, verstehst Du?«
    Ich nickte. Dieses erniedrigende Gefühl kannte ich nur zu gut. Denn manchmal wollte es eben trotz aller Bemühungen einfach nicht richtig klappen, und man musste dann leider ganz ohne das erhoffte Gefühl innerer Befreiung dennoch versuchen irgendwie einzuschlafen, während sich die Wichse zumindest gefühlt immer noch dort unten in den eigenen Eiern zu stauen schien.
    »Ganz ähnlich, auch das so genannte Verlorene Album der Beach Boys, das nie wirklich aufgenommen und dessen Musik auch niemals niedergeschrieben wurde und das daher nur als bloßes Gedankengut in den Köpfen der Musiker und ihrer Fans existiert«, fügte Nicki dann noch ein weiteres Beispiel an.
    Gemeinsam lauschten wir nun dem wunderbaren magischen Gesang einer gleichzeitig aber auch so unendlich zerbrechlich wirkenden Frauenstimme, die aus den Lautsprechern heraus den Weg an unser Ohr fand:

 

     
    »Im grünsten aller Täler stand einst ein prächtiges Palais, in dem die Gedanken wie Könige herrschten.
    Nachts breiteten die Engel schützend ihre Flügel aus über ein Haus, von dem es auf der ganzen Welt kein Zweites gab.«
     
    Ich nahm einen weiteren tiefen Schluck aus meinem Glas und lehnte mich zu Nicki zurück. Durch den Pullover konnte ich seine Wärme spüren. Was für ein Kontrastprogramm zu den vorherigen Geschehnissen dort unten im Partykeller. Wir brauchten nun gar nicht mehr viel miteinander zu reden. Wir kommunizierten, wir tauschten uns ganz schlicht und einfach schon nur ganz einfach dadurch aus, dass wir hier nebeneinander saßen. Es war wieder ganz genau so wie im letzten März. Wie, wenn wir all die Jahre unseres bisherigen Lebens zusammen aufgewachsen wären und uns in- und auswendig kennen würden.
    »Du hörst jetzt kein AC/DC mehr?«, war dann auch der einzige Kommentar von Nicki in meine Richtung.
    »Doch schon. Aber halt alles zu seiner Zeit«, flüsterte ich leise zurück, obwohl ich in meinem ganzen bisherigen Leben bestimmt noch nie freiwillig einen AC/DC Song oder gar ein ganzes Album von denen bis zum Ende angehört hatte.
    Als sich das Tape im Rekorder mehr und mehr auf sein wildes schauriges Ende zu bewegte und dabei seltsam hallend durch die geöffnete Tür die Luft draußen im Korridor in feuchten Nebel zu verwandeln schien, hätte es uns nun auch wohl nicht mehr wirklich gewundert, wenn nun womöglich die arme Lady Madeline aus der vertonten Geschichte in ihrem Nachthemd direkt in unser Zimmer geschritten wäre.
    Auch der außen rot schimmernde »Bitte Warten« -Schriftzug hätte sie wohl schwerlich davon abhalten können, unser Zimmer zu betreten.
    Für Nicki hätte sich dann womöglich die Aussicht auf einen verdammt flotten gemischten Dreier eröffnet. Mit Lady Madeline in unserer Mitte und zwar dann natürlich ganz ohne ihr Nachthemd. Für einen dritten Durchgang an einem Abend hätte Nicki auch durchaus wohl noch die notwendige Energie gehabt. Da war ich mir ziemlich sicher.
    So aber ließen wir die Musik nach ihrem Ende in der nun einsetzten absoluten nächtlichen Stille nochmals nachwirken, bis die eine Seite des 120er Tape vollständig durchgelaufen war und es sich mit einem Klacken selbst abschaltete.
    »Es ist so schön, dass Du wieder da bist«, sagte Nicki dann und legte seinen Arm um meine Schultern.
    »Ja, ich freu’ mich auch. Ich hab’ jeden Abend vor dem Einschlafen immer ganz intensiv an Dich gedacht.«
    Nicki: »Ja, ich auch.«
    »Aber in dem Moment, wo du vom Schlafen aufwachst, und wenn du dann merkst, dass es alles eben doch nur ein Traum war, weißt du nie, was es bedeutet«, spielte ich nun ein ganz klein wenig Sigmund Freud.
    Nicki:» Ja, manchmal begegnet uns die Wahrheit eben in ziemlich seltsamen Verkleidungen. Das musst Du immer im Hinterkopf haben.«
     
    Dann erzählte er mir stolz wie ein Turnschuh von seiner heimischen Freundin. Sie ging auch auf ein Internat. Irgendwo in England. So stellte es offenbar für beide dann auch kein wirkliches Problem dar, dass sie sich nur in den Ferien in ihrem Heimatort sehen konnten.
    Als müsse er nun
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher