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Zwei bemerkenswerte Frauen

Zwei bemerkenswerte Frauen

Titel: Zwei bemerkenswerte Frauen
Autoren: Tracy Chevalier
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Lyell. Auch Monsieur Prévost war beeindruckt, obwohl er das nicht auf Englisch ausdrücken konnte. Mir war das ganz recht, denn so konnte ich seine Bewunderung genießen, ohne mir ständig überlegen zu müssen, was seine schönen Worte wohl bedeuten mochten.
    Weil die Männer mehr sehen wollten, musste ich die Days holen, damit sie den Ichie ausgruben. Unterdessen nahm ich die beiden mit zum Ammofriedhof am Monmouth Strand und führte sie dann weiter in die Pinhay Bay, wo wir Crinoiden suchten. Erst als sie wieder abgereist waren, um Weymouth und Portland zu besuchen, hatte ich endlich Zeit, mich mit dem Plesi zu beschäftigen. Ich musste ihn schnell reinigen, denn Monsieur Prévost wollte in zehn Tagen nach Frankreich zurückfahren. Um ihn fertig zu kriegen, würde ich Tag und Nacht arbeiten müssen, aber das war es mir wert. So war es eben mit meiner Arbeit: Monatelang passierte nichts, und nur das Wetter änderte sich, während ich tagaus, tagein am Strand suchte. Dann tauchten kurz hintereinander weg drei Riesenbestien und zwei Fremde auf, und plötzlich musste ich mir die Nächte um die Ohren schlagen, um mit der Präparation der Fossilien fertig zu werden.
    Vielleicht lag es ja daran, dass ich die ganze Zeit in der Werkstatt war, um den Plesi fertig zu kriegen, denn ich hörte es erst, als es schon alle in Lyme wussten. Eines Morgens rief Mam mir von draußen am Verkaufstisch etwas zu. «Was, Mam?» Ich schimpfte leise vor mich hin und strich mir das Haar aus den Augen, wobei ich eine Lehmspur auf meiner Stirn hinterließ.
    «Da ist Bessy», sagte Mam und zeigte mit dem Finger. Das Dienstmädchen der Philpots ging die Coombe Street entlang. Ich rannte hinter ihr her und holte sie ein, als sie gerade den Bäckerladen betreten wollte. «Bessy!», rief ich.
    Bessy drehte sich um, brummte aber nur etwas, als sie mich sah. Ich musste ihren Arm packen, damit sie nicht einfach im Laden verschwand. Bessy rollte mit den Augen. «Was willst du?»
    «Ihr seid zurück! Seit wann seid ihr … sind sie … ist Miss Elizabeth wieder gesund?»
    «Hör mir zu, Mary Anning», sagte Bessy mir frech ins Gesicht. «Du lässt sie in Ruhe, verstanden? Du bist der letzte Mensch, den sie sehen wollen. Wehe, du wagst dich in die Silver Street!»
    Bessy hatte mich noch nie gemocht, deshalb überraschte mich das, was sie sagte, nicht. Ob es stimmte, musste ich schon selbst herausfinden, deshalb versuchte ich, in ihrem Gesicht zu lesen. Sie wirkte nervös und wütend und schien sich unbehaglich zu fühlen. Außerdem wich sie jetzt meinem Blick aus und schaute stattdessen dauernd nach links und rechts, als hoffte sie, dass jemand kommen und sie vor mir retten würde.
    «Ich tu dir schon nichts, Bessy.»
    «Doch!», zischte sie. «Du sollst uns in Ruhe lassen. Du bist im Morley Cottage nicht willkommen. Beinahe hättest du Miss Elizabeth umgebracht! An einem Abend ging es ihr mit ihrer Lungenentzündung so schlecht, dass wir Angst hatten, sie zu verlieren. Wenn du nicht gewesen wärest, wäre sie niemals krank geworden. Seither ist sie nicht mehr wie sonst. Lass sie also einfach in Ruhe!» Bessy drückte sich an mir vorbei und verschwand im Bäckerladen.
    Ich lief durch die Coombe Street zurück, doch als ich zum Cockmoile Square kam, ging ich nicht zu Mam, die hinter ihrem Tisch stand. Stattdessen bog ich in die Bridge Street, überquerte beim Ballsaal und dem Three Cups den Platz und ging dann die Broad Street hoch. Wenn ich mich nicht sehen lassen sollte, wollte ich das schon von den Philpots persönlich hören.
    Es war Markttag, und überall herrschte reges Treiben. Die Stände zogen sich die halbe Broad Street entlang, und es wimmelte nur so von Menschen. Ich musste mir einen Weg durch sie bahnen, und das war, wie wenn man bei auflaufender Flut durchs Wasser watet. Doch ich ging immer weiter, ich musste einfach.
    Wegen des Menschengewimmels brauchte ich einen Moment, bis ich sie erkannte. Mit kleinen Schritten und wie immer mit sehr geradem Rücken kam sie den Hügel hinab. Da spürte ich, wie der Blitz mich durchfuhr. Ich blieb wie angewurzelt stehen. Die Marktmenge musste sich teilen und um mich herumgehen.
    Elizabeth Philpot war zwar von Menschen umgeben, aber allein und ohne Begleitung ihrer Schwestern unterwegs. Sie sah dünner aus, fast klapperdürr. Das vertraute mauvefarbene Kleid hing an ihr herunter, und die Haube umrahmte ein ausgezehrtes Gesicht. Ihre Wangenknochen und besonders ihr Kinn stachen so spitz und scharf wie bei
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