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Zwei bemerkenswerte Frauen

Zwei bemerkenswerte Frauen

Titel: Zwei bemerkenswerte Frauen
Autoren: Tracy Chevalier
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begnügen müssen, mit den Ammos, Belis und Gryphies meiner Jugend. Und selbst von denen würden wir nicht so viele verkaufen, weil es mittlerweile viel mehr Fossilienjäger gab, die mit Kuris handelten. Wir würden wieder arm werden, Joe würde nie eine eigene Werkstatt bekommen, und Mam und ich würden ewig auf dem Cockmoile Square festsitzen und niemals einen besseren Laden weiter oben haben. Ich beweinte meine Zukunft, bis keine Tränen mehr kamen und die Männer still geworden waren.
    Als sie sicher waren, dass ich mich ausgeheult hatte, zog Monsieur Prévost ein Taschentuch hervor. Er beugte sich über die Steinplatten, weil er nicht auf sie treten wollte, und hielt es mir hin. Es sah aus wie eine weiße Flagge über einem Kriegsfeld aus Steinen. Als ich zögerte, winkte er mir damit ermunternd zu und lächelte ein wenig, wovon seine Wangen tiefe Grübchen bekamen. Da nahm ich das Taschentuch und wischte mir die Augen mit dem weichsten und weißesten Stoff, den ich jemals in der Hand hatte. Es roch nach Tabak, so dass mich schauderte und ich lächeln musste, denn ich spürte den Blitz wieder, wenn auch nur schwach. Ich wollte ihm das Taschentuch zurückreichen, das jetzt mit Dreck aus dem Blauen Lias verschmiert war, aber er wollte es nicht nehmen und bedeutete mir, dass ich es behalten sollte. Da dachte ich, dass Monsieur Prévost vielleicht doch kein Spion war. Ich faltete das Taschentuch zusammen und steckte es mir unter die Haube, denn das war die einzige Stelle im ganzen Raum, wo es nicht schmutzig war.
    «Miss Anning, bitte lassen Sie mich etwas sagen», begann Charles Lyell vorsichtig. Vielleicht fürchtete er, ich könnte wieder zu heulen beginnen. Doch ich weinte nicht mehr, damit war ich fertig. Mir fiel auf, dass er mich Miss Anning nannte und nicht Mary.
    «Vielleicht sollte ich Ihnen erklären, warum wir hier sind. Monsieur Prévost war so freundlich, mir seine Gastfreundschaft zu gewähren, als ich letztes Jahr in Paris war. Er hat mich Baron Cuvier im Museum für Naturgeschichte vorgestellt und mich auf geologische Expeditionen in Frankreich begleitet. Als er mir schrieb, dass er nach England kommen wolle, habe ich ihm deshalb angeboten, ihn an die wichtigsten geologischen Orte im Süden des Landes zu führen. Wir waren in Oxford, Birmingham und Bristol, danach unten in Cornwall und haben uns jetzt über Exeter und Plymouth auf die Rückreise gemacht. Natürlich mussten wir unbedingt auch einen Abstecher nach Lyme Regis machen und Sie kennen lernen. Wir wollten die Strände sehen, an denen Sie Fossilien sammeln, und Ihre Werkstatt. Monsieur Prévost hat mir gerade sogar gesagt, wie beeindruckt er von allem ist, was er hier sieht. Er würde es Ihnen selbst sagen, aber er spricht leider kein Englisch.»
    Während Mr Lyell redete, war der Franzose neben dem Ichthyosaurier in die Hocke gegangen und fuhr mit dem Finger seine Rippen entlang, die fast vollständig waren und so schön standen wie ein Eisengitter. Jetzt, wo er mit seinen Schenkeln so nah neben mir hockte, konnte ich nicht länger sitzen bleiben. Ich nahm mir eine Klinge, kniete mich neben den Kiefer des Ichies und begann die Schieferbrocken daran abzukratzen.
    «Wir würden uns die Fossilien, die Sie gefunden haben, gerne genauer anschauen, wenn wir dürfen, Miss Anning», sagte Mr Lyell. «Und wir würden gern die Stellen am Strand sehen, von denen sie kommen – diese beiden Exemplare und der Plesiosaurier, den Sie im letzten Dezember gefunden haben. Ein wirklich bemerkenswerter Fund übrigens, mit einem außergewöhnlichen Hals und Kopf.»
    Ich erstarrte. Dass er auf diesen umstrittenen Teil des Plesis zu sprechen kam, klang verdächtig. «Haben Sie ihn gesehen?»
    «Natürlich. Ich war anwesend, als er in der Geschäftsstelle der Geologischen Gesellschaft eintraf. Haben Sie denn nichts von der ganzen Aufregung gehört?»
    «Nein, nichts. Manchmal komme ich mir vor wie der Mann im Mond, weil ich so wenig von allem mitbekomme, was in der Welt der Wissenschaft passiert. Früher hatte ich jemanden, der mich auf dem Laufenden hielt, aber jetzt … Mr Lyell, kennen Sie Elizabeth Philpot?»
    «Philpot? Nein, tut mir leid, den Namen habe ich noch nie gehört. Sollte ich sie kennen?»
    «Nein, nein.» Doch ich dachte: Ja. Ja, Sie sollten sie kennen. «Was wollten Sie gerade sagen … mit der ganzen Aufregung und so?»
    «Der Plesiosaurier kam zu spät an», erklärte Mr Lyell. «Er traf erst zwei Wochen nach der Tagung der Gesellschaft, auf
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