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Zwei bemerkenswerte Frauen

Zwei bemerkenswerte Frauen

Titel: Zwei bemerkenswerte Frauen
Autoren: Tracy Chevalier
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Augen in der Tür stehen blieben. Ich spürte einen kleinen Blitzschlag in mir, obwohl ich mir den anfangs nicht erklären konnte. Doch dann wusste ich, dass es sich nicht um gewöhnliche Besucher handelte.
    «Bitte entschuldigen Sie das Durcheinander, meine Herren», sagte ich, «aber ich habe gerade zwei Tiere heimgebracht und hatte noch keine Gelegenheit, sie zu ordnen. Womit kann ich Ihnen dienen?»
    Ich musste furchtbar aussehen. Mein Gesicht war vom Blauen Lias verschmiert und meine Augen waren sicherlich feuerrot von der Anstrengung, den Ichie auszugraben.
    Der jüngere von den beiden Herren fand als Erster seine Fassung wieder. Er war nicht viel älter als ich und mit seinen tiefliegenden blauen Augen, der langen Nase und dem wohlgeformten Kinn recht gutaussehend. «Miss Anning, ich bin Charles Lyell», sagte er lächelnd. «Und dies hier ist Monsieur Constant Prévost aus Paris.»
    «Aus Paris?», rief ich. Panik schwang in meiner Stimme.
    Der Franzose schaute sich erst das Durcheinander aus Steinen auf dem Boden an und dann mich. «Enchanté, Mademoiselle», sagte er mit einer Verbeugung. Obwohl er mit seinen Locken, den langen Koteletten und den Lachfältchen um die Augen freundlich wirkte, war seine Stimme ernst.
    Sicher war er ein Spion. Ein Spion von Monsieur Cuvier, der sehen wollte, was ich machte. Ich starrte auf den Boden und sah das Durcheinander mit seinen Augen. Dort unten lagen zwei verschiedene Fossilien nebeneinander – ein Ichie ohne Schwanz und ein Plesi ohne Kopf. Der Schwanz des Plesis hatte sich vom Becken gelöst und hätte ohne weiteres an den Ichie gelegt werden können, um ihn zu vervollständigen. Oder ich konnte den Kopf des Ichies nehmen, ein paar Wirbel aus dem Hals des Plesis entfernen und den Kopf dort festmachen. Wer sich mit diesen beiden Kreaturen auskannte, würde sich nicht hinters Licht führen lassen, aber dümmere Leute schon. So wie es hier aussah, konnte Monsieur Prévost leicht zu dem Schluss kommen, dass ich im Begriff war, diese beiden unvollständigen Riesentiere zusammenzufügen, um ein drittes, vollständiges schaffen.
    Das alles brach so plötzlich über mich herein, dass ich mich am liebsten hingesetzt hätte, was ich mich aber vor den beiden Männern nicht traute.
    «Ich soll Sie von Reverend Buckland und Reverend Conybeare grüßen», fuhr Charles Lyell fort. Er konnte ja nicht wissen, dass er mit der Erwähnung dieser beiden Namen nur Öl in die Flammen goss. «Ich habe bei Professor Buckland in Oxford studiert und …»
    «Mr Lyell, Sir, Monsieur Prévost», unterbrach ich ihn, «eins muss ich Ihnen gleich sagen: Ich bin eine ehrliche Frau. Was immer Baron Cuvier auch denken mag, ich würde niemals an einem Fossil herumpfuschen! Ich würde das sogar auf die Bibel schwören, meine Herren, jederzeit! Bloß haben wir keine Bibel im Haus. Wir hatten früher mal eine, mussten sie aber verkaufen. Aber wir können jetzt sofort zur Kirche gehen, und ich werde in Gegenwart von Reverend Gleed auf die Bibel schwören, wenn das irgendwie hilft. Wir können natürlich auch zu Sankt Michael gehen, wenn Ihnen das lieber ist. Der Vikar dort kennt mich zwar nicht so gut, aber sicher wird er eine Bibel zur Verfügung stellen.»
    Charles Lyell versuchte meinen Redeschwall zu unterbrechen, aber ich konnte nicht mehr aufhören. «Ich weiß, dass diese beiden Fossilien hier unvollständig sind, und ich schwöre Ihnen, dass ich sie so zusammensetze, wie sie sind, und keine Teile austausche. Der Schwanz eines Plesiosauriers könnte auch an einen Ichthyosaurier passen, aber ich würde das niemals tun. Und der Kopf eines Ichies ist natürlich viel zu groß, um auf den Hals eines Plesis zu passen, das würde gar nicht funktionieren.» Ich plapperte und plapperte. Besonders der Franzose wirkte verblüfft.
    Und dann konnte ich einfach nicht mehr. Ich musste mich setzen, egal ob Herren anwesend waren oder nicht. Jetzt war ich endgültig ruiniert. Vor den beiden Fremden begann ich zu weinen.
    Das brachte den Franzosen mehr aus der Fassung als alle Worte. Er begann auf Französisch loszureden, wobei er immer wieder von Mr Lyell unterbrochen wurde, der ein sehr langsames Französisch sprach. Ich selbst wollte nur noch rauslaufen und Mam sagen, dass sie den Days nur ein Pfund zahlen sollte, weil ich viel zu großzügig gewesen war und wir jetzt, wo ich keine Riesentiere mehr suchen und verkaufen konnte, jeden Schilling brauchen würden. Wir würden uns wieder mit lächerlichen Kuris
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