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Zum Glück Pauline - Roman

Zum Glück Pauline - Roman

Titel: Zum Glück Pauline - Roman
Autoren: C.H.Beck
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Kosten, die Sie ermitteln, sind viel zu hoch. Ich kenne Ihre Berechnungsgrundlagen nicht, habe keineAhnung, wie Sie zu Ihren Zahlen kommen, aber immerhin weiß ich, dass Ihr Angebot alles andere als akzeptabel ist.»
    «Aber …»
    «Ich fürchte, mein Vorgesetzter wird aufstehen und gehen, wenn ich das so übersetze.»
    «Ich versteh das nicht … ein besseres Angebot kann man doch gar nicht machen», stammelte ich.
    Es entstand eine Pause, in der wir uns gegenseitig mit Blicken durchbohrten. Ich spürte, dass Audibert mich vernichtend anstarrte. In dem Moment bildete sich eine zweite Schweißperle auf meiner Stirn (die erste war anscheinend nur eine Art schlimme Vorahnung gewesen). Was hatte ich an dieser Akte gearbeitet. Unsere Margen waren eng, ich hatte kein Verständnis für diese Reaktion. In meinem Kopf liefen noch einmal die Kalkulationen der vergangenen Monate ab, ähnlich wie bei einem Sterbenden, an dem noch einmal die Bilder seines Lebens vorbeiziehen. Aber nein, ich verstand beim besten Willen nicht, wo das Problem lag.
    Doch das Problem war nicht zu übersehen, es saß mir gegenüber. Plötzlich meldete Gaillard sich zu Wort:
    «Ich glaube, die Angaben unseres Mitarbeiters sind nicht ganz vollständig, er geht von falschen Voraussetzungen aus. Ich weiß, welchen Fehler er gemacht hat, der nun Ihren Unmut erzeugt …»
    «…»
    «Die Sache ist im Grunde ganz einfach … das hier istfalsch beziffert, das werden wir gleich ändern … sehen Sie sich dieses Schriftstück an … blabla … blabla …»
    Den Rest seiner glorreichen Rede bekam ich nicht mehr mit. Er hatte mich in eine Falle gelockt, indem er mir die ganze Zeit falsche Dokumente zugespielt hatte. Und er hatte gewartet, bis ich mich vor versammelter Mannschaft zum Affen machte, um dann die Situation retten zu können. Der Arme hatte bestimmt ganz schöne Ängste ausstehen müssen, dass ich womöglich heute tatsächlich nicht kommen könnte. Jetzt verstand ich, warum er vorhin so erleichtert gewesen war, dass ich endlich da war. Das war der Gipfel der Böswilligkeit. Was sollte ich jetzt machen? Schreien? Alles kurz und klein schlagen? Nein, ich unternahm am besten nichts. Wenn ich etwas unternahm, setzte ich ja den Auftrag aufs Spiel. Also schwieg ich. Bis die Japaner weg waren. Die Besprechung dauerte noch eine Stunde. Eine lange, demütigende Qual, die japanische Version der chinesischen Folter.
    Die Japaner, sonst die Höflichkeit in Person, beachteten mich kaum, als sie aufbrachen. Ich saß reglos im leeren Konferenzraum, betrachtete die Wandtafel, die Fukushima eine glänzende neue urbane Perspektive aufzeigte. Hörte, wie Audibert draußen im Flur herumschrie: «Wo steckt er nur, dieser Trottel!?», bis er mich schließlich aufspürte. Mein Chef kam mir so groß vor, überdimensional, es sah fast so aus, als würde er gleich mit dem Kopf an die Decke stoßen. Im ersten Augenblick sagte er gar nichts, aber ich wusste, dieses Schweigen verkündete Unheil. Man nennt das auch: die Ruhe vor dem Sturm. Ich sah ihn schon in dieserRuhe heraufziehen. Er braute sich langsam zusammen, um dann plötzlich loszubrechen. Jetzt:
    «Was ist denn in Sie gefahren? Sie sind ja unser Untergang!»
    «Aber …»
    «Kein Aber! Zum Glück ist Ihr Kollege eingeschritten. Sie werden in diesem Betrieb vorerst keine weiteren Aufgaben mehr übernehmen!»
    «…»
    «Ich bin enttäuscht. Furchtbar enttäuscht …»
    «…»
    «Sie machen bis auf Weiteres gar nichts. Sie machen gar nichts, verstanden?»
    «…»
    «Verstanden??!!»
    «Ja …»
    Er redete mit mir wie mit einem kleinen Kind. Die totale Erniedrigung. Ich hätte heulen können, aber das hatte ich zum Glück verlernt. Es war wirklich lange her, dass ich das letzte Mal geweint hatte. Mir war schon die Gebrauchsanweisung für meine Tränendrüsen abhandengekommen. Audibert brüllte noch ein bisschen weiter, dann ging er endlich. Ich hatte mich fast in nichts aufgelöst, als mein Rücken sich wieder zu Wort meldete. Auf dem Wettlauf ins Desaster gab mein Körper alles, um den Geist einzuholen. Aber dass die Rückenschmerzen nun mit dem Ausgang der Besprechung zusammenhingen, konnte ich mir trotzdem nicht vorstellen. Die Ärzte würden herausfinden, dass ich eine unheilbare Krankheit hatte. Das kam mir ganz zupass. Dannwürde auch mein Chef nicht mehr sauer sein. Eine andere Möglichkeit, mein Image wieder aufzupolieren, fiel mir gar nicht ein. Es würde ihm noch leidtun, dass er mich so angeschrien und von
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