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Zum Glück Pauline - Roman

Zum Glück Pauline - Roman

Titel: Zum Glück Pauline - Roman
Autoren: C.H.Beck
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einfach für den technischen Teil zuständig. Die Untersuchung war angeordnet worden, nun wurde sie durchgeführt, kein Grund, sich lange mit meinem Zustand aufzuhalten. Eigentlich kam es mir ganz gelegen, dass die Angelegenheit relativ ungerührt vonstattenging. Nachdem wir dies geklärt hätten, sei seine hübsche junge Assistentin erwähnt, in meinen Augen eine Azubi, die mir verhalten zulächelte. Sie bildete den Gegenpol zur Sachlichkeit ihres Chefs. Ich hatte schon nach wenigen Augenblicken die Bewunderung erkannt, die sie für ihn empfand. Er suhlte sich anscheinend in der Rolle der etwas reservierten ärztlichen Autorität. Wenn sie nicht da gewesen wäre, wäre er vielleicht der gütigste Mensch auf Erden gewesen. Der faszinierte Blick der jungen Frau veränderte ihn, und das war nur mehr als verständlich.
    Ich fand das Kranksein an sich schon beschwerlich genug, aber nun musste ich meinen Rücken auch noch gegen eine eiskalte Metallplatte drücken und dabei den Atem anhalten. Gelähmt von der Panik, verstand ich nicht einmal mehr die Anweisungen des Arztes, der mich für einen kompletten Schwachkopf halten musste, als ich mehrmals nachfragte, wie noch mal die Instruktionen gelautet hatten. Mir war nicht ganz klar, wann genau ich die Luft anhalten sollte. Ich hinkte immer einen Atemzug hinterher. Zu der Angst vor dem Untersuchungsergebnis gesellte sich die Angst, ein schlechter Patient zu sein. Kranke wollen immer beweisen, dass sie gute Kranke sind. Manchmal macht man sogar Scherze, um seine Ungezwungenheit vorzuspiegeln. Nicht so ich. Ich hatte mich schnell in alle Einzelteile zerlegt und sehnte mich fast nach der Verkündigung einer tödlichen Krankheit, auf dass diese moderne Folter ein Ende nehme. Ja, «Folter» ist genau das richtige Wort. Der Radiologe, den ich nicht sehen konnte (er befand sich hinter einer Scheibe, durch die man nur von seiner Seite aus hindurchsehen konnte), gab mir Befehle wie ein Scharfrichter, der einen blendet, um nicht erkannt zu werden. Er sagte mir, ich solle mich nach links drehen, dann nach rechts, als habe er es mit einem gerade festgenommenen Verbrecher zu tun, der fotografiert wird.
    Nach einiger Zeit verstummten die Anweisungen. Ich bildete mir ein, den Radiologen etwas flüstern zu hören. Wahrscheinlich analysierte er zusammen mit seiner Assistentin die Aufnahmen. Aber warum durfte ich das nicht mitanhören? Er ließ mich einfach mit nacktem Oberkörper an der kalten Metallplatte stehen und spielte den Schlaumeier für diese Tussi, die vielleicht so alt war wie seine Tochter. Ich überlegte, ob ich etwas sagen sollte, «alles in Ordnung?» oder irgendetwas anderes, um den beiden ins Gedächtnis zu rufen, dass ich auch noch da war. Aber ich sagte nichts. Dass ich ausgerechnet bei einem Radiologen landen musste, der mit seiner Assistentin flirtete. Dazu war ich psychisch doch viel zu angeschlagen. Er durfte sie ja verführen, ihr ein Wochenende in Venedig oder Hamburg versprechen, wenn er sich nur auch wieder an mich erinnert hätte. Diese Röntgenuntersuchung zog sich endlos hin. Im Wartezimmer vorhin hatte ich mir ausgerechnet, wie lange eine Behandlung durchschnittlich so dauerte, ich hatte die Zeit gestoppt, und nun stellte ich fest, dass ich die Nase vorn hatte.
    Endlich trat der Arzt aus seiner Kabine:
    «Ich muss noch ein paar Aufnahmen machen.»
    «Noch mehr Aufnahmen? Aber wozu?»
    «Ich will nur sichergehen …»
    «Sichergehen? Was heißt das?»
    «Nichts … es ist bloß … diese eine Aufnahme … das würde ich mir gern noch mal genauer ansehen.»
    «…»
    «Das geht schnell, machen Sie sich keine Sorgen …»
    Und schon war er wieder weg, mir blieb gar keine Zeit zu reagieren. Was kann ein Arzt Beunruhigenderes als «Machen Sie sich keine Sorgen» sagen? Ich versuchte, die Ruhe zu bewahren, die Situation gelassen zu nehmen. Panik halfauch nicht weiter. Er wollte sichergehen … aber wie meinte er das?
    «Atmen Sie tief ein … und Luft anhalten.»
    «…»
    «Wunderbar … langsam haben Sie den Dreh raus.»
    Ich hatte richtig verstanden. Das war Spaß. Aber wenn die Umstände nun mal nicht lustig sind, ist nichts schwerer zu ertragen als jemand, der krampfhaft versucht, lustig zu sein. Mir ging es schlecht, und er machte seine Witzchen. Das Ganze war kaum noch auszuhalten. Die Situation wurde immer beklemmender. Wie viele halb nackte und von Gott und der Welt verlassene Männer und Frauen mochten in diesem Raum schon dem vernichtenden Urteil
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