Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zuflucht im Teehaus

Zuflucht im Teehaus

Titel: Zuflucht im Teehaus
Autoren: Sujata Massey
Vom Netzwerk:
machen konnte.
    Die Kommode von der Insel Sado sah wunderbar aus. Ich wußte, daß sie Mrs. Mihori gefallen würde. Als ich sie schließlich telefonisch erreichte, bestätigte sie mich in meiner Entscheidung.
    »Gott sei Dank haben Sie sie nicht dieser schrecklichen Frau überlassen. Und so, wie Sie mir die Kommode beschrieben haben, bin ich sicher, daß sie genau das richtige ist. Ihre Tante hat schon recht – Sie wirken tatsächlich Wunder.«
    Ich hatte meine Eltern seit ungefähr drei Jahren nicht mehr gesehen, deswegen waren mein Onkel und meine Tante in Yokohama so etwas wie Ersatzeltern für mich geworden. Die Lebensweise der beiden Familien unterschied sich letztlich nicht wesentlich: Mein Vater, ein Psychiater, und meine Mutter, eine Innenarchitektin, hatten ein großes viktorianisches Stadthaus in San Francisco, während meine japanischen Verwandten in einem kleineren, modernen Haus wohnten, das ungefähr dreimal so viel wert war wie das meiner Eltern, weil es in Yokohama stand. Bei meiner Übersiedlung nach Japan hatte ich finanziell unabhängig sein wollen und deshalb das Angebot meiner Verwandten ausgeschlagen, bei ihnen unterzukommen. Statt dessen hatte ich drei Jahre in einer kleinen, ziemlich heruntergekommenen Wohnung gehaust. Dann war ich Hugh begegnet. Ganz recht war es mir nicht, mietfrei in seiner Wohnung zu wohnen, aber in Augenblicken wie diesem mußte ich doch zugeben, daß ein Marmorbad gar nicht so schlecht war.
    Ich gönnte mir zwanzig Minuten und schlüpfte dann in meine yukata ,einen japanischen Baumwollbademantel. Danach ging ich in die Küche, um das Geschenk für Hugh, eine hübsche Laterne mit Holzrahmen und zerrissenem Papier, weiter zu reparieren. Ich wußte schon, wodurch ich das Papier ersetzen würde.
    Kurz nachdem ich mit meiner Arbeit fertig war, hörte ich einen Schlüssel in der Wohnungstür und ging nachsehen.
    » Tadaima !« Hugh ließ seine Squash-Tasche fallen und begrüßte mich mit einem Glasgower Akzent, den ich ihm auch durch noch so intensive Bemühungen meinerseits nicht austreiben konnte. Ich fiel ihm lachend in die Arme.
    »Mach dir nicht die Mühe, mich zu begrüßen«, murmelte er, nachdem wir uns wieder voneinander gelöst hatten. »Ist dir eigentlich klar, daß ich schon seit zwei Tagen wieder da bin? Ich habe gewartet und mir Sorgen gemacht und obendrein nicht mal einen Wagen gehabt. Ich mußte tatsächlich mit der U-Bahn zur Arbeit fahren.«
    »Aber das tut dir nur gut«, neckte ich ihn. »Ich begreife gar nicht, wieso du so gern Auto fährst – mir persönlich würde es überhaupt nichts ausmachen, wenn ich deinen Wagen nie wieder von innen sehen müßte.«
    »Für mich ist der Windom ein Zufluchtsort, die einzige Möglichkeit, von A nach B zu kommen, ohne von Tokios Millionen angestarrt zu werden.«
    Vermutlich war es tatsächlich nicht sonderlich angenehm, dauernd angestarrt zu werden, aber ich hatte den Verdacht, daß Hughs Problem durch eine Tatsache noch verstärkt wurde: Er sah aus wie der junge Harrison Ford. Ich hingegen war ein Mischling und zog längst nicht so viel Aufmerksamkeit auf mich. Um das Thema zu wechseln, fragte ich ihn, ob er ein Glas Wein wolle.
    »Wie wär’s mit einem Gläschen Single Malt? Bist du denn so lange weg gewesen, daß du meine geheiligten Rituale vergessen hast?«
    »Für einen Scotch ist es zu warm. Wie war’s in Thailand?« Ich öffnete eine Packung warmer Sesamnudeln, die ich in dem Lebensmittelladen im selben Gebäude gekauft hatte, und reichte Hugh ein Paar Stäbchen. Wir machten uns mit einer Gier darüber her, daß es meine feinen japanischen Verwandten vermutlich gegraust hätte.
    »Es war ein guter Arbeitsurlaub. Die neue Fabrik von Sendai wird termingerecht eröffnen. Die Zusammenarbeit mit den Thailändern ist angenehm, und sie sprechen besser Englisch als die meisten hier.«
    »Du meinst besser als du?«
    »Klar! Und die Mädels am Strand – die habe ich auch verstanden, ohne daß sie was gesagt haben.« Er zwinkerte mir zu und meinte: »Du hättest wirklich mitkommen sollen.«
    »Was hast du denn in deiner Freizeit gemacht?« Zwar war das Ganze eine Geschäftsreise gewesen, aber der Gedanke an die vielen freien Stunden, die er vermutlich trotzdem gehabt hatte, behagte mir nicht.
    »Komm her, ich zeig dir’s.« Er knöpfte sein Oxford-Hemd auf, und ich sah, daß seine muskulöse Brust und sein durchtrainierter Bauch ziemlich rot waren.
    »Du bist am Strand eingeschlafen!«
    »Tja, beim Lesen meiner
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher