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Zuflucht im Teehaus

Zuflucht im Teehaus

Titel: Zuflucht im Teehaus
Autoren: Sujata Massey
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Taten aus dem Familienbuch gestrichen wurde. So, als habe es den Mann, der gerade in einem Gefängnis für Schwerverbrecher saß, nie gegeben.
    »Ich weiß noch nicht, was ich für Sie tun kann«, sagte Nana Mihori. »Ich habe gehört, Sie wollen Horin-ji die Schriftrolle wieder zurückgeben. Das ist sehr großzügig.«
    Nach einem langen Gespräch mit Lieutenant Hata war mir klargeworden, daß ich keinen Anspruch auf die Schriftrolle hatte, weil sie aus Zufall in der tansu gelandet war. »Verlegt« war das Wort, das Lieutenant Hata dafür benutzte, nicht »gestohlen«, weil das, was Akemi getan hatte, sich letztlich nicht als Diebstahl interpretieren ließ. Schließlich gehörte sie zu den Leuten, die ein Anrecht auf die Schriftrolle hatte. Ich hätte vor Gericht gehen können, aber das wollte ich nicht. Manche Dinge waren einfach wichtiger als Geld.
    »Wahrscheinlich wäre es das beste, wenn ich mein Versprechen einlösen und Ihnen die tansu abkaufen würde«, sagte Nana.
    »Das ergibt aber keinen Sinn, weil Sie die Schriftrolle ja wiederhaben. Sie haben, was Sie wollten.«
    »Nun, eigentlich habe ich vor, die tansu Yoko Maeda zu schenken, der Inhaberin des Antiquitätenladens, in dem Sie noch vor kurzem gearbeitet haben. Sie hat Ihnen gegenüber vielleicht erwähnt, daß ich ihr einmal … Schwierigkeiten gemacht habe. Ich würde ihr die tansu gerne überlassen, um für meinen Egoismus zu sühnen. Soweit ich weiß, werden Sie nicht weiter bei ihr arbeiten, und Ihre Hilfe wird ihr fehlen.«
    »Sie haben sehr großen Einfluß in der Stadt. Glauben Sie, die Kamakura Green and Pristine Society könnte die Parksituation vor ihrem Laden verbessern?«
    »Aber natürlich. Ich habe schon einen Brief an die entsprechenden Stellen geschickt.« Sie schwieg einen Augenblick. »Ich möchte Ihnen noch einmal sagen, wie dankbar ich Ihnen dafür bin, daß Sie meine Familie gerettet haben. Ich weiß, daß Akemi Sie nicht besucht hat, weil es ihr peinlich wäre. Sie glaubt, daß Sie sie nicht sehen wollen, weil Sie nun die Wahrheit über sie und die Schriftrolle kennen.«
    »Das ist doch lächerlich. Sagen Sie ihr, daß ich wieder mit ihr laufen möchte, sobald mein Knie es zuläßt.«
    »Sie wollen wieder joggen?«
    »Ja, und vielleicht fange ich sogar mit Judo an. So, wie mein Leben im Moment läuft, sollte ich wohl ein bißchen Selbstverteidigung lernen.«
    Nana Mihori verabschiedete sich mit einem Lächeln und schenkte mir noch eine Blechdose mit ihrem köstlichen Gerstentee. Unter der Dose fand ich einen langen weißen Umschlag. Sie hatte also wirklich vor, die tansu zu kaufen. Ich holte ein dickes Bündel Geldscheine heraus und begann, sie zu zählen. Es waren fünf Millionen Yen. Außerdem steckte ein kurzer Brief in dem Kuvert:
     
    Bitte nehmen Sie die Entschädigung für die tansu sowie den Betrag für Ihre Reisekosten und den Finderlohn an. Die Glendinning-Brüder haben mir versichert, daß sie die tansu morgen persönlich zu mir bringen werden. Sie brauchen also keine Lieferfirma zu beauftragen. Ich werde Sie allen meinen Freunden empfehlen und Sie auch selbst gerne wieder beauftragen. Bitte richten Sie Ihrer Tante schöne Grüße aus.
    Mit freundlichen Grüßen Nana Mihori
     
    »Wo hast du denn die ganze Kohle her? Machst du jetzt Schwarzmarktgeschäfte?« Angus Glendinning betrat das Krankenzimmer mit Tüten aus dem Old Teheran Café. Falafel, dachte ich voller Vorfreude.
    »Das Geld habe ich ehrlich verdient«, erklärte ich Angus. »Sozusagen mit Blut, Schweiß und Tränen.«
    »Blood, Sweat and Tears – ich hab mir schon gedacht, daß du dir ’ne alte Band aussuchst, wenn du so ’ne Anspielung machst«, sagte Angus mit verächtlichem Gesichtsausdruck und warf mir eine Kassette aufs Bett. »Die hab ich für dich aufgenommen. Sind lauter Titel, die so ein bißchen den Achtziger-Sound haben, auf den du so stehst.«
    »Was ist denn das für eine Band? Ich kann deine Schrift nicht lesen«, sagte ich nach einem Blick auf das Gekritzel auf der Hülle.
    »Massive Attack. Die magst du, das versprech ich dir«, sagte Angus und steckte die Kassette in den Recorder, den er schon bei seinem letzten Besuch mitgebracht hatte.
    Sobald das Lied losging, fing Angus an, durchs ganze Zimmer zu tanzen, und ich mußte so furchtbar lachen, daß mir das Falafel-Sandwich auf die Bettdecke fiel.
    » Gaijin «,sagte die Krankenschwester seufzend zu ihrer Kollegin, als sie ins Zimmer kamen und das Chaos sahen.
    Wir lachten
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