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Zuflucht im Teehaus

Zuflucht im Teehaus

Titel: Zuflucht im Teehaus
Autoren: Sujata Massey
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Bambusbäume zu dünn sind, um sich dahinter zu verstecken, warf ich mich auf den Boden.
    Zwei Jungen in Schuluniform tauchten auf. Ich erhob mich, weil ich sie bitten wollte, Hilfe zu holen, aber als sie mich entdeckten, wichen sie entsetzt zurück.
    »Ein böser Geist!« rief der Jüngere aus.
    Ich machte den Mund auf, um sie zu beruhigen, aber es war nur ein Krächzen zu hören. Als ich mich geräuspert hatte und es noch einmal versuchte, waren die beiden Jungen schon verschwunden.
    Nach diesem Erlebnis zog ich die blutverschmierte Robe aus und ließ sie unter einem Busch liegen, bevor ich in Richtung Tempelgelände weiterging. Der schwarze Toyota Mega Cruiser stand vor dem Wohnhaus der Mihoris. Damit war Wajin also den Hügel hinuntergefahren.
    Ich kroch durch den Garten der Mihoris. Als ich einen Korb mit feuchter Wäsche entdeckte, hielt ich inne.
    Miss Tanaka hängte gerade eine von Akemis Hosen auf. Ihr Gesicht wirkte genauso konzentriert wie das Akemis während des Judo-Trainings.
    Sie wußte Bescheid über die Schriftrolle, aber anders als ihre Söhne hatte sie nicht versucht, mich umzubringen. Noch nicht. Ich kroch schneller.
    Ich war fast am Gartentor, als Miss Tanaka die letzte Hose aufhängte und sich bückte, um ein weiteres Wäschestück aus dem Korb zu nehmen. Dabei trafen sich unsere Blicke. Sie stieß einen Schrei aus.
    » Daijobu , daijobu «,formten meine Lippen, während ich mich langsam erhob, alles in Ordnung. Die Schiebetür ging auf. Als Miss Tanaka sich umdrehte, sprintete ich zum Gartentor.
    »Es ist diese Shimura! Sie treibt sich immer noch hier rum!« sagte Miss Tanaka.
    »Wir müssen den Wachen am Tor Bescheid sagen«, erwiderte ihr Sohn Wajin mit seiner mächtigen Priesterstimme. »Man muß sie festnehmen.«
    »Sie ist eine Nervensäge, aber ich glaube nicht, daß das nötig ist«, murmelte Miss Tanaka.
    »Sie hat etwas gestohlen. Etwas, das dem Tempel gehört und ein Teil des japanischen Kulturerbes ist.«
    Ich rannte über das Tempelgelände. Die Wachen am Tor würden Wajins Befehl natürlich gehorchen. Sie würden mich zu ihm bringen, und ich würde es nie zur Polizei schaffen. Meine einzige Hoffnung war eine Telefonzelle, doch die befand sich auf einem offenen Platz neben dem Haupteingang mit den Wachen.
    Ich starrte die Touristen an und stellte mir vor, wie sie reagieren würden, wenn sie das Blut an meinem Körper sahen. Wahrscheinlich würden sie in Panik geraten, also mußte ich Distanz halten.
    Ich ging über einen Kiesweg auf das offene Becken zu, in dem die Leute sich mit kleinen Bambuskellen Wasser über die Hände gossen, bevor sie den Tempel betraten. Ich würde mich säubern, so gut ich konnte. Ein paar Leute beobachteten mich mit mißbilligendem Blick. Zu spät wurde mir klar, daß sie Angst hatten, ich könnte den heiligen Bezirk verunreinigen.
    »Würden Sie mir bitte Ihr Telefon ausleihen?« fragte ich leise eine Reiseleiterin, die ein Handy am Gürtel hatte.
    Sie starrte mich an und wich entsetzt zurück; ganz anders als Mohsen, der mir im Park geholfen hatte, obwohl er alles zu verlieren hatte. Dann entdeckte ich eine zweite Reiseleiterin, die ihre Gruppe auf den Parkplatz des Tempels dirigierte. Ungefähr dreißig Rentner mit gelben Aufklebern auf dem Hemd marschierten langsam hinter der gelben Fahne der Reiseleiterin her. Ich mischte mich unter sie. Obwohl einige ein wenig zurückwichen, versuchte doch niemand, mich aus der Gruppe zu scheuchen, denn keiner wollte seinen Platz im Bus verlieren.
    »Der nächste Halt wird der Große Buddha im Hase-Tempel sein«, erklärte die Reiseleiterin gerade in singendem Tonfall. »Er wiegt über dreiundneunzig Tonnen und wurde Mitte des zwölften Jahrhunderts nach den Vorstellungen des Shogun gegossen.«
    Als wir uns dem hohen Tor des Tempels näherten, sah ich zwei Mönche, die den Eingang aufmerksam beobachteten: Jiro, der uns die Schriftrolle gezeigt hatte, und der jüngere Mönch, der uns zu ihm gebracht hatte. Sie wirkten noch viel finsterer als die bemalten Muskelmänner-Statuen, die zu beiden Seiten des Tores wachten.
    Die Touristengruppe war so groß, daß die Mönche Platz machen mußten. Ich ließ mich zusammen mit den anderen durchs Tor schieben. Erst als ich mich auf der anderen Seite befand, wagte ich es, mich umzuwenden.
    Die Wachen sahen wieder in Richtung Tempel, wo sie mich vermuteten.
    »Gehören Sie zu dieser Gruppe? Zu Sunshine Tours?« fragte die Reiseleiterin und musterte mein blutverschmiertes Kleid, auf
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