Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zuflucht im Teehaus

Zuflucht im Teehaus

Titel: Zuflucht im Teehaus
Autoren: Sujata Massey
Vom Netzwerk:
Anwesenheit.
    »Sie erinnern sich vielleicht noch, daß ich von Spuren an den Orten gesprochen habe, an denen Nao Sakai und Nomu Ideta gestorben sind. Meine Beamten haben stark basische Schmutzspuren gefunden. Solcher Schmutz ist mir auch schon in Ihrer Wohnung aufgefallen. Als Sie mir von Horinji erzählt haben, mußte ich an die berühmten Hortensien des Tempels denken.«
    »Hortensien brauchen stark alkalischen Boden«, sagte Akemi. »Ich habe einen Beamten erwischt, wie er auf meinem Laufpfad Bodenproben entnommen hat. Ich wollte ihn gerade ordentlich zur Schnecke machen, als er mir erklärt hat, daß er für die Polizei in Kamakura arbeitet und auf der Suche nach Ihnen ist.«
    »Wieso haben Sie überhaupt nach mir gesucht?« fragte ich Lieutenant Hata.
    »Sie haben Ihre Sachen im Schließfach des Tokyo National Museum vergessen. Als das Handy in Ihrem Rucksack zu klingeln begonnen hat, hat ein Mann vom Sicherheitsdienst das Schließfach geöffnet und sich mit uns in Verbindung gesetzt. Wir haben in der Wohnung von Hugh Glendinning angerufen, und Angus-san hat uns von der Schriftrolle erzählt.«
    Und ich hatte gedacht, daß Angus die Polizei haßte. Vielleicht war es doch nicht so schlecht, einen kleinen Bruder zu haben, besonders wenn er ein bißchen auf einen aufpaßte. Oder besser gesagt einen kleinen Schwager. Na ja, lieber doch nicht, dachte ich, als sich der Notarztwagen näherte, dessen Sirene ganz ähnlich jaulte wie die Nine Inch Nails.
     
    Mein Knie sah schlimm aus, war aber nicht völlig kaputt. Der Orthopäde im St. Luke’s International Hospital schlug eine Arthroskopie vor. Es war nur die Frage, ob die Operation von einem Chirurgen des Krankenhauses durchgeführt werden sollte oder von einem Spezialisten, den Hugh aus London einfliegen lassen wollte. Ich überraschte alle mit meiner Entscheidung.
    »Ich lasse das in Kalifornien in dem Krankenhaus machen, in dem mein Vater arbeitet. Es geht einfach nichts über die amerikanische Medizin.«
    »Aber du hast doch gesagt, du willst Japan nicht verlassen? Und wie zum Teufel willst du den Flug überstehen? Du kannst das Knie doch nicht abbiegen.« Hugh, der seine Mittagspause bei mir verbrachte, streichelte meinen Oberschenkel über dem Gips. Seine Berührung war immer noch elektrisierend.
    »Du erinnerst dich vielleicht noch, daß meine Eltern mir ein Erste-Klasse-Ticket nach San Francisco geschenkt haben, das ich nie benutzt habe. Du sagst doch immer, daß es in der Ersten Klasse ausreichend Beinfreiheit gibt.«
    »Wann willst du fliegen?«
    »Irgendwann nächste Woche. Ich werde wahrscheinlich einen Monat oder so bleiben, damit die Ärzte noch den Heilungsprozeß überwachen können.«
    Hugh schwieg eine Weile, bevor er fragte: »Fliegst du wegen des Babys nach Kalifornien?«
    Ich brauchte ein paar Sekunden, bis ich begriff, von welchem Baby er redete: von jenem mythischen Wesen, das er sich auf unserer Zugfahrt von Kamakura ausgedacht hatte. Lächelnd sagte ich: »Da brauchst du dir keine Gedanken zu machen. Ich kriege morgen meine Tage.«
    »Morgen? Woher weißt du denn das?« Hugh klang irritiert.
    »Ich habe heute schon leichte Krämpfe.«
    Er seufzte. »Tja, wahrscheinlich sollte ich erleichtert sein, aber irgendwie bin ich traurig darüber, auch noch diese letzte Verbindung zu dir verloren zu haben.«
    »Was meinst du mit ›letzte Verbindung‹? Schließlich bist du doch derjenige, der Japan verlassen will.«
    »So habe ich das nicht gesagt. Ich hasse nur das Gefühl, ein Fremder zu sein. Ich habe darüber nachgedacht, und mir ist klargeworden, daß ich in den meisten Ländern Europas wahrscheinlich genauso fremd sein würde.«
    »Also willst du zurück nach Schottland?«
    »Ja. Ich muß zurück zu meinen Wurzeln. Ich habe Angus nur deshalb mit Glacéhandschuhen angefaßt, weil ich ihn jahrelang nicht mehr gesehen hatte. Wahrscheinlich hatte ich Angst, daß er gleich wieder abreist, wenn ich ihn zu hart anpacke. Offen gestanden bin ich derjenige, der die Familie gespalten hat. Ich bin jetzt schon so lange im Ausland, daß ich meine Neffen und Nichten überhaupt noch nicht gesehen habe. Mir ist klargeworden, daß ich tatsächlich Kinder möchte. Vorerst kann ich ja mal als Onkel üben.«
    »Du wirst sicher in Schottland jemanden kennenlernen. Und du wirst heiraten und genau das kriegen, was du möchtest«, sagte ich, alles andere als fröhlich.
    »Aber ich will nur dich heiraten«, sagte er.
    Ich hätte nicht gedacht, daß ich mal einen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher