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1403 - Schrei aus dem Dunkel

1403 - Schrei aus dem Dunkel

Titel: 1403 - Schrei aus dem Dunkel
Autoren: Jason Dark
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Glatteis? Egal, volles Rohr!
    Aquaplaning? Scheiß drauf. No risk, no fun!
    Vorwärts, denn der neue Porsche musste getreten werden. Rolli Hoger war ein Bleifuß und Porsche-Fan. Er hatte das Glück, sich alle zwei Jahre einen neuen Wagen kaufen zu können, und wenn er dann mit ihm über eine nächtlich wenige befahrene Autobahn brettern konnte, war er selig. Dann überkam ihn der Rausch, und er fühlte sich in seinem Geschoss auf vier Rädern wie in einer silbergrauen Rakete.
    Rolli Hoger kannte die Strecken, auf denen er den Wagen ausfahren konnte. Natürlich durfte es nicht zu viele Kurven geben, und wenn es welche gab, mussten sie weit angesetzt sein. Gerade Straßen, das allein zählte. Fahrbahnen, die wie mit einem Lineal geschaffen waren. Da wurde der Wagen dann zum Tier.
    Ideal wären natürlich trockene Straßen gewesen. Ein glatter Asphalt, über den er huschen und den Abrollgeräuschen der Reifen lauschen konnte. Und das, obwohl der Motor nicht eben leise war.
    Der Rausch der Geschwindigkeit war mit dem einer Droge zu vergleichen. Da vergaß er alles. Es gab dann nur noch ihn und den Wagen, den er durch das Hochland scheuchte.
    Wohin?
    Es gab für ihn kein Ziel. Wenn er gefragt wurde, sprach er vom Ende der Welt, aber seine Welt war trotzdem recht begrenzt, denn sie endete mit den technischen Daten seines Wagens.
    Fernlicht!
    Er liebte es. Die schon brutale Helligkeit zerstörte die Dunkelheit.
    Sie zerriss die Romantik. Er liebte dieses Licht wie andere den Schein ihrer Adventskerzen.
    In dieser Nacht waren die Straßen besonders einsam. Sie führte ihn in den Süden, über die schwäbische Alb hinweg, über die Autobahn A7, die er schon bis zu ihrem Ende nach Flensburg gefahren war. Jetzt fuhr er in die anderen Richtung, wo auf den Schildern die Ortsnamen Ulm und Kempten zu lesen waren.
    Bei den hohen Geschwindigkeiten löste sich die Welt um ihn herum auf. Es gab nur noch die Straße, die immer wieder feucht schimmerte, besonders im Schatten der Berghänge.
    Aber auch die Berge glitten weg. Sie wurden zu einem welligen Etwas, zu einer Soße, die aus dunklen Wellen bestand.
    Hineintauchen in die Weite des Landes. Sich fühlen wie ein King.
    Dem Rausch der Geschwindigkeit folgend und sich an den Windgeräuschen ergötzen.
    Rolli liebte es. Und er brauchte es. Wäre es anders gewesen, würde er sich nicht wohl fühlen.
    Aber man hatte die Autobahn nicht nur gerade bauen können. In einer bestimmten Bergregion verengte sich seine Sicht. Die Strecke führte bergab. Er hatte das Gefühl, in einen Tunnel zu rasen, und für wenige Sekunden spürte er seinen Herzschlag überdeutlich. Die dunklen Wolken schienen noch tiefer zu sinken, und plötzlich verlor sich der Schein des Fernlichts in einer grauen Nebelsuppe.
    Es war für Rolli kaum nachvollziehbar. Eben noch hatte er strahlend freie Sicht gehabt, und plötzlich wurde das Licht von einer dichten Nebelschicht aufgefangen.
    Er raste hinein!
    Dunst, wohin er schaute. Vorn, an den Seiten und auch hinten. Es war zu sehen, wenn er in die Außenspiegel schaute. Alles hatte sich verändert, und er brauchte Sekunden, bis ihm klar wurde, dass es unmöglich war, mit dieser irren Geschwindigkeit weiterzurasen.
    Kolli Hoger musste bremsen.
    Er tat es. Es war so leicht. Er tippte das Pedal an – und hatte plötzlich das Gefühl, dass der Wagen nicht langsamer, ihm aber aus den Händen genommen wurde.
    Es war ein wirklich seltsames Erleben. Er fuhr, er lenkte, und er hatte trotzdem das Gefühl, dass der Porsche von einer anderen Macht übernommen worden war.
    Verrückt. Nicht zu fassen, und trotzdem irgendwie wahr, denn das Geschoss gehorchte ihm nicht mehr. Er wusste auch nicht mehr, wie schnell er war. Die Tachoanzeige kam ihm unglaublich vor. Die Nadel zitterte bei Null. Eigentlich hätte er längst stehen bleiben müssen, doch das war nicht der Fall. Er fuhr weiter, und er war dabei schnell. Zumindest hatte er den Eindruck.
    »Scheiße, was ist das?«, schrie er.
    Niemand war da, um ihm eine Antwort zu geben. Die Fahrt ging weiter. Sie wurde durch nichts gestoppt. Es gab keine Hindernisse, gegen die er geprallt wäre. Die Welt öffnete sich ihm, als wollte sie ihn mit großen Armen umfangen.
    Nebelfetzen huschten an den Seiten des Fahrzeugs entlang. Sie waren wie die Reste wehender Tücher. Für ihn war die Welt eine andere geworden. Er sah keine Umrisse mehr. Die dunklen Berge schienen verschluckt worden zu sein wie von den Mäulern riesiger Ungeheuer. Es gab keinen
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