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Zuflucht im Teehaus

Zuflucht im Teehaus

Titel: Zuflucht im Teehaus
Autoren: Sujata Massey
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mit der Hand über seine glänzend gegelten Haare. »Tolle Gegend. Früher war ich oft im Yoyogi Park, der ist nicht weit von …«
    »Bei den Elvis-Tänzern?« Ich entspannte mich ein bißchen. Sonntags tanzten immer unzählige junge Männer mit Nietenhosen und schwarzen Lederjacken im Park zu Musik aus den fünfziger Jahren. Jetzt wußte ich, an wen der Typ mit den gegelten Haaren mich erinnerte – er sah aus wie ein japanischer Elvis.
    »Die Stadtverwaltung hat die Tanzveranstaltungen im Park verboten. Jetzt gehe ich nicht mehr hin.« Er holte eine Visitenkarte aus seiner Jacke mit dem breiten Revers. »Ich heiße Jun Kuroi und arbeite für den Toyota-Händler in Hita. Als ich den Wagen gesehen habe, habe ich angehalten. Ich habe mich gefragt, ob er Ihnen gehört.«
    »Nein«, sagte ich nach einem Blick auf seine Karte.
    »Schade. Ich hätte Ihnen einen Leihwagen gegeben. Das gehört zu unserem Service.«
    Die Visitenkarte sah echt aus – sie hatte das offizielle Toyota-Emblem –, also sagte ich: »Aber ich muß das Rücklicht reparieren lassen. Wieviel wird das kosten? Bis jetzt habe ich den Wagen noch nie zur Reparatur bringen müssen.«
    »Diese Windoms sind einfach nicht kleinzukriegen, was? Ich fahre selber einen.« Er deutete auf ein silbrig glänzendes Modell mit dem Namen des Händlers über dem Nummernschild. »Ich würde sagen, die Reparatur kostet so um die viertausend Yen. Natürlich können Sie mit Kreditkarte zahlen …«
    Das überzeugte mich. Ich stieg ein und fuhr ihm nach zu dem Händler, der in einem Gebäude aus Glas und Chrom voller hochglanzpolierter Wagen residierte.
    »Hita ist wirklich eine tolle kleine Stadt«, sagte Jun und brachte mir einen Eiskaffee, während ich in der Lounge wartete. »Sie sollten die Zeit nutzen, wenn Sie schon mal hier sind. Warum schauen Sie nicht noch auf ein kurzes Bad bei den heißen Quellen vorbei, bevor Sie wieder zurück in die Stadt fahren? Ich würde Sie begleiten, wenn ich könnte, haha.«
    »Ich bin beruflich hier«, sagte ich und erklärte ihm die Sache mit der tansu- Kommode.
    »Wow, ich interessiere mich auch für alte Sachen. Genauer gesagt, für Platten aus den fünfziger Jahren, aber so was findet man nicht bei Hita Fine Arts. Was haben Sie denn ausgegeben?« fragte er mich und beugte sich auf seinem Ledersessel ein wenig zu mir vor.
    Als ich es ihm erzählte, stieß er einen Pfiff aus. »Zwei Millionen Yen sind eine ganze Menge Geld! Aber Sie kennen sich ja offenbar aus. Wenn ich mir’s recht überlege … Sie fahren immer noch einen sechsundneunziger Windom. Bald kommen die neuen Modelle – ich könnte Ihnen einen hübschen Rabatt geben …«
    »Nein, danke, der Wagen gehört nicht mir«, sagte ich. Autoverkäufer waren auf der ganzen Welt gleich. Nur die Sprache unterschied sich.
     
    Ich war froh über mein neues Rücklicht, weil die Sonne bereits untergegangen war, als ich vor Roppongi Hills ankam, jenem riesigen, weißen Wolkenkratzer, den Hugh Glendinning sein Zuhause nannte. Ein offen herumliegender Koffer sagte mir, daß Hugh aus Thailand zurück war, obwohl er sich nicht in der Wohnung aufhielt. Das einzige, was auf mich wartete, war die neue tansu- Kommode,gut eingepackt in Karton und Plastikfolie. Während ich mir Jun Kurois Geplapper angehört und auf den Wagen gewartet hatte, war sie bereits von der Speditionsfirma in Tokio abgeliefert worden. Auf dem Anrufbeantworter befand sich eine Nachricht des Hausmeisters, der sich entschuldigte, die Leute von der Spedition ohne meine vorherige Erlaubnis in die Wohnung gelassen zu haben. Sie hatten keine Uniform getragen und ihn auch nicht gebeten, den Erhalt der Kommode zu quittieren – das hatte ihn ein wenig argwöhnisch gemacht.
    Doch mir war nur wichtig, daß die Kommode gut angekommen war. Ich wickelte sie aus ihrer Verpackung und bewunderte sie. Ich kaufte nicht oft Antiquitäten in so gutem Zustand. Normalerweise erwarb ich angeschlagene Stücke, die niemand sonst wollte, auf Flohmärkten. Im Regelfall mußte ich sie nur mit ein bißchen Stahlwolle abreiben und mit Leinöl einlassen, damit sie wieder aussahen wie neu. Deshalb hatte sich Hughs sterile Junggesellenwohnung seit meinem Einzug sechs Monate zuvor durch meine Sammlung alter japanischer Möbel, Holzschnitte und Textilien ganz schön verändert. Alle paar Monate gaben wir eine Party für meine Kunden und seine Geschäftsfreunde, bei der wir die meisten Stücke verkauften, so daß ich mich wieder auf die Suche nach neuen
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