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Zuflucht im Teehaus

Zuflucht im Teehaus

Titel: Zuflucht im Teehaus
Autoren: Sujata Massey
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bittend an.
    »Ich muß im Interesse meines Kunden arbeiten«, sagte er leise.
    »Gut, dann zahle ich eine Million fünfhundertsechzigtausend.« Trotz der Klimaanlage lief mir der Schweiß in Strömen herunter.
    »Eine Million siebenhunderttausend Yen.« Die Frau bedachte mich mit einem vernichtenden Blick.
    »Eine Million achthunderttausend.« Wenn das hier eine Auktion sein sollte, würde ich weiterbieten.
    Während Mr. Sakai noch nervös etwas murmelte, überbot mich die Frau abermals, diesmal mit eins Komma neun Millionen. Würde sie noch höher gehen? An ihrem Gesicht konnte ich die Antwort nicht ablesen. Meine Mittel waren nicht unbegrenzt, und ich konnte es mir nicht leisten, weiter bei diesem Spielchen mitzumachen.
    »Ich gebe Ihnen zwei Millionen einhunderttausend«, sagte ich. Vielleicht konnte ich ihr mit einem letzten, deutlich höheren Gebot den Schneid abkaufen.
    Die Frau sah aus, als sei sie nun nicht mehr bereit mitzuhalten. Doch dann sagte sie: »Zwei Millionen zweihunderttausend Yen.«
    Da schüttelte ich den Kopf. Ich gab auf. Mit zitternden Fingern stopfte ich mein Geld wieder in die Pocky-Dosen und zog den Reißverschluß meines Rucksacks zu. Es war falsch, einen so viel höheren Preis als ursprünglich vereinbart zu zahlen; das wußte ich. Vor allem ohne Mrs. Mihoris Einverständnis.
    Als ich an den Tongefäßen für die Fische vorbei in Richtung Ausgang marschierte, spürte ich etwas an meinem Rucksack zupfen. Jemand hatte mein Geld gesehen und wollte es sich unter den Nagel reißen. Als ich nach hinten ausholte, berührte ich weiche Haut. Nachdem ich mich umgedreht hatte, sah ich, daß ich eine junge Verkäuferin vom oberen Stockwerk niedergestreckt hatte.
    »Miss!« keuchte sie. »Sie können die tansu- Kommodeimmer noch kaufen, das wollte ich Ihnen nur sagen …«
    » Gomen nasai «,entschuldigte ich mich und half ihr wieder auf die Beine. Warum hatte ich mich nicht umgedreht, bevor ich ausholte? Zum Glück war sie nicht mit dem Kopf gegen eins der Tongefäße geknallt.
    »Die andere Kundin hat nicht genug Geld. Ich soll Ihnen von Mr. Sakai sagen, daß Sie die tansu- Kommodefür zwei Millionen einhunderttausend Yen haben können. Das war die Höhe Ihres letzten Gebots.« Die Lippen der jungen Frau zitterten, als wolle sie gleich zu weinen anfangen.
    Mir war selbst zum Weinen zumute. Wenn das hier ein Auktionshaus gewesen wäre, hätte man die Frau gezwungen zu zahlen, dachte ich, während ich die Stufen wieder hinaufging »Im Moment habe ich nur zwei Millionen in meiner Handtasche, aber ich könnte zur Bank gehen.« Die Frau wühlte in ihrer Handtasche herum und warf mit Yen-Scheinen um sich, als handle es sich um gebrauchte Papiertaschentücher.
    Mr. Sakai sah mich an. »Die Banken haben nicht mehr geöffnet. Ich muß mich wegen der Verwirrung entschuldigen, Shimura-san.«
    Jetzt, da ich wußte, wieviel Geld meine Konkurrentin zur Verfügung hatte, hatte ich eine bessere Argumentationsbasis. »Ich kaufe die Kommode für zwei Millionen, alles inklusive, auch die Lieferung, wie vorher besprochen.«
    »Ist das Ihr letztes Angebot?« Mr. Sakai schrieb bereits die Quittung.
    »Ja, das ist mein letztes Angebot«, sagte ich, und die Kommode gehörte mir.

2
    Als ich wieder vor dem Geschäft stand, wurde meine Freude beim Anblick des jungen Mannes von vorhin, der auf dem Kofferraumdeckel meines Wagens saß, ein wenig gedämpft.
    »Das werden Sie richten lassen müssen, Onesan «,meinte er und deutete auf das Rücklicht. »Das Birnchen ist kaputt.«
    Ich runzelte die Stirn. Er nannte mich »große Schwester«, eine leicht kokette Form der Anrede. Es war in Ordnung, wenn die Verkäufer auf dem Gemüsemarkt mich so ansprachen, aber wenn ein Fremder mich so nannte, gefiel mir das nicht. Obwohl er gar nicht so fremd war; irgendwie erinnerte er mich an jemanden, an wen, wußte ich allerdings nicht.
    »Das lasse ich in Tokio reparieren«, sagte ich, nachdem ich zuerst einen Blick auf den dunkler werdenden Himmel und dann auf mein Rücklicht geworfen hatte, das schlechter aussah als erwartet. Die Entschuldigung des Transporterfahrers hatte mich abgelenkt.
    » Heh? Sie können nicht mit einem Rücklicht nach Tokio fahren. In welches Viertel wollen Sie denn?«
    »Nach Roppongi.« Ins Land der Ausländer und Gourmet-Pizza. Bevor Hugh Glendinning in mein Leben getreten war, hatte ich in einem bescheideneren und sehr viel japanischeren Viertel gewohnt.
    Er stieß einen bewundernden Pfiff aus und fuhr sich
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