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Die Nacht von Sinos

Die Nacht von Sinos

Titel: Die Nacht von Sinos
Autoren: Jack Higgins
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    Ich fand ihn in einer Tiefe von ungefähr zehn Faden in dem milchiggrünen Wasser, ein paar Hundert Meter von der Spitze der Insel entfernt. Zuerst entdeckte ich den Fallschirm. Irgendwie war es ihm gelungen, ihn noch auszulösen, vielleicht in einer Art Reflexbewegung während des Ertrinkens. Er schwebte über den Wasserpflanzen wie eine seltsame weiße Blume, die im grünen Licht fahl schimmerte.
    Der Pilot lag zwei Meter tiefer auf einer sandigen Stelle, soweit ich erkennen konnte, immer noch an den Schleudersitz geschnallt. Dann entdeckte ich die Maschine. Sie lag auf dem Bauch und lauerte zwischen den Pflanzen wie ein gespenstisches Seeungeheuer. Ich weiß nicht, warum mir so ungemütlich wurde. Es war fast, als ob das verdammte Ding lebendig wäre.
    Mit meinem Mut war es zur Zeit nicht weit her. Ich mußte mich zusammennehmen, um näher heranzuschwimmen. Ich warf einen Blick ins Cockpit und sah die unzähligen Instrumente und Hebel, die im matten Licht phosphoreszierten. Die Steuersäule bewegte sich leicht hin und her, wie von einer unsichtbaren Hand gelenkt.
    Mir reichte es. Ich stieg rasch auf, fand die Ankerkette und folgte ihr in einer Wolke von Champagnerbläschen. Plötzlich war das Wasser wie grünes Glas, durchtränkt vom Sonnenschein, und über mir sah ich deutlich den Rumpf der ›Gentle Jane‹.
    Ein Druckausgleich war überflüssig. Ich war nicht so lange unten gewesen, und daß ich fror, war ganz allein meine Schuld: Ich hätte ja den Naßtauchanzug anziehen können. Als ich neben der Leiter auftauchte, kräuselte ein kräftiger Ostwind die Wasserfläche, und eine graue, sich überschlagende Welle rollte über mich hinweg. Zitternd kroch ich an Bord.
    Morgan streckte mir mit besorgtem Gesicht die Hand entgegen Ich roch seine frische Whiskyfahne.
    »Alles in Ordnung, Jack?« fragte er.
    Ich brachte ein müdes Lächeln zustande und schnallte die Aqualunge ab. »Ich werde alt, Morg, das ist alles. Jetzt brauch' ich einen Schluck zu trinken.«
    Er zog eine kleine Flasche Whisky aus der Hosentasche, und ich nahm einen großen Schluck. Tief drinnen im Magen breitete sich eine angenehme Wärme aus.
    »Schmeckt nach Seife.« Ich gab ihm die Flasche zurück.
    Er hielt sie unsicher in der Hand, ich nickte, da nahm er einen raschen Schluck, zögerte, trank noch einen zweiten, schraubte dann die Flasche mit leichtem Bedauern wieder zu und steckte sie in die Tasche.
    Das ägyptische Motorboot hatte auf unserer Steuerbordseite festgemacht. Hakim stand mit dem Rücken zu uns und unterhielt sich mit dem Kapitän, einem jungen Marineleutnant, und einem Armeeoffizier. Dann drehte sich Hakim um und erblickte mich. Er stieg über die Reling, ein gutaussehender eleganter Mann mit olivenfarbenem Teint, der in seinem weißen Leinenanzug und dem eleganten Schlips sehr flott aussah.
    Er ist noch englischer als ein Engländer, dachte ich. Das irische Blut in mir meldete sich wieder, aber vielleicht war's auch nur der Whisky.
    »Ach, Mr. Savage«, sagte er. »Glück gehabt?«
    Ich nickte. »Genau wie ich dachte: eine israelische Mirage III.«
    »Und in welchem Zustand?«
    »Kein Kratzer dran. Ich glaube kaum, daß Ihre Flugabwehr dafür verantwortlich ist.«
    »Das ist absurd. Mir liegt ein Bericht des verantwortlichen Offiziers der Batterie vor. Die Maschine wurde mit Sicherheit abgeschossen.«
    Der Armeeoffizier war hinzugetreten. Er war ungefähr dreißig Jahre alt, Major im Geheimdienst, mit dunklen, bösen Augen, das Gesicht von einem Schrapnell ziemlich mitgenommen. Er war einer von den Radikalen, die auf der Sinai-Halbinsel zu viel erlebt hatten.
    »Major Ibrahim ist mir erst kürzlich aus Kairo zugeteilt worden.« Hakim zückte ein vornehmes, goldenes Etui und bot mir eine Zigarette an. »Sie kommen von der See her immer sehr tief herein, um unser Radar zu unterfliegen, gewöhnlich nicht einmal zweihundert Meter hoch.«
    Das war eine gefährliche Sache. Die Mirage hat im Horizontalflug eine Höchstgeschwindigkeit von zweitausenddreihundertzwanzig Kilometern in der Stunde und eine Steigfähigkeit von dreitausend Metern in der Minute. Wenn man also in zweihundert Meter Höhe ein bißchen mit dem Knüppel rührt, oder auch nur hustet, ist man schon dran. Der Knabe, der da unten an dem Fallschirm baumelt, hatte wahrscheinlich U-Boot gespielt, bevor er es richtig merkte.
    Der Major wollte etwas sagen, ließ es dann aber sein. Hakim hatte mir eine türkische Zigarette angeboten, wie man sie normalerweise nicht im
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