Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Nacht von Sinos

Die Nacht von Sinos

Titel: Die Nacht von Sinos
Autoren: Jack Higgins
Vom Netzwerk:
dafür, aber alles zu seiner Zeit und an seinem Ort und so, daß die wichtigeren Seiten des Lebens nicht in Mitleidenschaft gezogen wurden.
    »Gehst du jetzt in die Bar hinunter, Jack?« fragte Morgan.
    »Du weißt, daß ich dem Mann noch einen Drink schulde.«
    »Und dem Mädchen.«
    Er wischte sich mit der Hand über den Mund, seine Augen strahlten, ich klopfte ihm auf die Schulter. »Na schön, altes Saufhaus, komm mit.«
    Er grinste wie ein Schuljunge und öffnete mir eilig die Tür. Wir gingen den Flur entlang, der wegen des Stromausfalls immer noch im Dunkeln lag, und dann ein Dutzend Marmorstufen in die Hotelhalle hinunter.
    Kytros stand hinter dem Empfangspult und unterhielt sich mit seinem Angestellten. Er winkte mir zu. »Ich hab' gehört, Sie wollten heute wieder mal Selbstmord begehen.«
    »Kommt ganz drauf an, wie man's betrachtet, Yanni«, antwortete ich. »Jedenfalls lebe ich noch, und es gefällt mir in Bir-el-Gafani noch recht gut. Dafür könnten Sie mich zu einem Drink einladen.«
    »Gleich«, sagte er, »die Geschäfte gehen vor.«
    Die Bar war ein großer quadratischer Raum mit Fenstertüren auf der einen Seite, die einen Blick über den Hafen gestatteten. Im Nebenzimmer wurde am späten Abend gespielt, und auf der einen Seite befand sich das achte Weltwunder: die berühmte lange Bar des ›Saunder-Hotels‹, etwa eine Meile viktorianisches Mahagoni mit den drei perfektesten Barmixern dahinter, die mir je begegnet sind. Sie waren wirklich imstande, jeden nur vorstellbaren Drink zu mixen.
    Es war noch ziemlich früh. Nur Lady Sarah Hamilton saß an dem hübschen alten Schiedmayer-Klavier, einem weiteren Überbleibsel des alten Empire. Auf das Instrument war Yanni ganz besonders stolz, da auf der Innenseite des Deckels in vergoldeten Buchstaben zu lesen stand: »Sonderanfertigung für das indische Klima« - was immer das auch bedeuten mochte.
    Sie spielte ›A Foggy Day in London Town‹, und zwar gar nicht übel. Ich hörte die Töne in mir wiederklingen.
    »Hallo, Savage«, rief sie. »Irgendeinen Lieblingssong?«
    »Sie spielen ihn gerade, Regen auf die Bäume, Nebel am Fluß, die Sirene unten im Londoner Hafen. Jetzt brauchen wir nur noch Big Ben. Ich brenne vor Heimweh.«
    »Das alles liegt auch für Sie ein Stück zurück, nicht wahr?«
    »Als es das letzte mal Ärger gab, kamen ein paar Hunderttausend Iren herüber, um für England zu kämpfen«, erinnerte ich sie. »Ich war im Juli 1943 dran, an meinem sechzehnten Geburtstag. Zwei Jahre später kam ich zur Marine.«
    »Alles England zuliebe?«
    »Weil man schließlich leben muß, Madam«, antwortete ich. »Außerdem ist es eine alte Tradition, daß wir für England immer die Kriege ausrichten.«
    Sie lachte. »Geben Sie mir eine Zigarette.«
    Sie beugte sich vor, als ich ihr Feuer gab. Wieder fing ich den Duft ihres Parfüms auf, und aus irgendwelchen Gründen zitterte meine Hand leicht. Sie hielt mein Handgelenk fest, sagte aber nichts. Ihre Finger fühlten sich kühl an.
    »Etwas zu trinken?« fragte ich.
    »Warum nicht? Groß und kühl und ohne Alkohol. Am liebsten Tonic mit Eis.« »Ganz bestimmt?« »Sie haben schon so viel davon geschluckt, daß es für uns beide reicht, wie?«
    Ich überhörte die Anspielung und ging hinüber zur Bar. Eigentlich wollte ich den Abend mit dem üblichen doppelten Whisky beginnen, aber dann zögerte ich. Sie hatte mich wirklich aufgerüttelt. Ich entschloß mich für ein kühles Bier.
    Sie war vom Klavier aufgestanden und an eine der offenen Fenstertüren getreten, von wo aus man einen Blick über den Hafen hatte. Der Himmel flammte orangerot über dem dunklen, abendstillen Land, und wir hatten Neumond. Als sie mich kommen hörte, drehte sie sich um und stand mit leicht gespreizten Beinen da, die rechte Hüfte etwas vorgeschoben, und hielt sich mit der linken Hand den rechten Ellbogen.
    Sie trug ein täuschend schlichtes, kleines Sommerkleid, das höchstwahrscheinlich von Baimain stammte. Selbst für die augenblicklich herrschende Mode war es reichlich kurz und vorn durchgeknöpft. Die beiden untersten Knöpfe blieben offen, ob nun zufällig oder mit Absicht, das wußte ich nicht. Ich sollte noch dahinterkommen, daß man bei ihr nie ganz genau Bescheid wußte.
    Aber etwas war mir klar: Sie sah phantastisch aus und erregte mich mehr, als es irgendeine Frau seit Jahren fertiggebracht hatte. Seit mich meine Frau verlassen hatte, war mir so etwas nicht mehr begegnet.
    Ich reichte ihr das hohe beschlagene
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher