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Zu feindlichen Ufern - [3]

Zu feindlichen Ufern - [3]

Titel: Zu feindlichen Ufern - [3]
Autoren: Bastei Lübbe
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verärgert. Denn der Befehl, eine feindliche Fregatte zu erobern, bedeutete, dass Aussicht auf Prisengeld bestand, und bei all den Rückschlägen der letzten Zeit konnte Hayden dies sehr gut gebrauchen.
    Wenn er jetzt jedoch einen Spion an Bord nahm, brachte er sein Schiff nur unnötig in Gefahr, zumal der Informant womöglich vor dem Eintreffen der Themis gefasst und verhört wurde. Daher war es zumindest denkbar, dass die französischen Behörden längst über Zeit und Ort des geheimen Treffens Bescheid wussten.
    Erneut entwich ihm ein Fluch, leiser diesmal. Dann brach er das Siegel des zweiten Briefs und las, dass man seiner Bitte zum Auslaufen endlich entsprochen hatte. Noch einmal an Land zurückkehren zu können war hiermit hinfällig geworden. Die Möglichkeit einer Wiederannäherung mit Henrietta geriet in weite Ferne.
    Er musste Segel setzen in Richtung Le Havre, um dort den geheimnisvollen Monsieur Benoît zu treffen. Hayden verfluchte den Unbekannten – diesmal auf Französisch.

K APITEL ZWEI
    Ein unförmiger Mond stand über den treibenden Dunstschleiern und warf sein dürftiges Licht auf das Deck. Jenseits der Reling wogte die tintenschwarze, rastlose See.
    »Eine ungesunde See.« Aus den Schatten löste sich der Master und stampfte die wenigen Schritte über die Planken zum Schanzkleid, wo Hayden stand, der sich das Nachtglas unter den Arm geklemmt hatte.
    »Ungesund? Was meinen Sie damit, Mr Barthe?«
    »Sieht aus wie eine Suppe, die man stehen gelassen hat, bis sie andickt und erkaltet.« Barthe fröstelte sichtlich.
    Hayden verbarg ein Lächeln. »Sie entdecken noch eine dichterische Ader in sich, Mr Barthe. Die See ist, wie sie immer um diese Zeit im April ist, für mein Empfinden. Aber die Nacht ist zu weit vorangeschritten.« Er führte das Nachtglas wieder ans Auge, schwenkte es in einem Winkel von sechzig Grad erst zur einen Seite, dann langsam zur anderen, ehe er es sich wieder unter die Achsel schob.
    »Dauert noch drei Stunden, bis es hell wird, Kapitän«, merkte Barthe an, da er ahnte, was seinem Vorgesetzten Sorgen bereitete. »Noch genug Zeit.«
    Hayden hingegen war nicht der Ansicht, dass ihnen genug Zeit blieb, und hätte am liebsten sofort die Segel gesetzt.
    »Mir wäre es lieber, sie kämen so schnell wie möglich«, antwortete Hayden. »Und was die andere Angelegenheit betrifft – dieser Mann ist womöglich längst im Gefängnis oder auf dem Weg zur Guillotine. Ich werde nicht länger als nötig auf ihn warten.«
    Einige Stunden zuvor hatte ein Beiboot, noch schwarz gestrichen vom letzten Abenteuer auf Korsika, im Schutz der Dunkelheit auf den Hafen von Le Havre zugehalten. Hayden fragte sich, ob sich die Fregatte, die es zu zerstören galt, bereits wieder auf die Jagd begeben hatte. Es wäre reine Glückssache, wenn es der Themis gelänge, das feindliche Schiff entlang der britischen Küste aufzuspüren – daher hoffte Hayden, Monsieur Benoît an Bord nehmen zu können, um dann auf die Rückkehr der Fregatte zu warten. Falls das französische Schiff in dieser Nacht jedoch im Hafen blieb, wollte Hayden nicht das Überraschungsmoment verlieren. Denn es war immerhin denkbar, dass der Feind mitbekam, wo die Themis im Hinterhalt lag. In diesem Fall würde Hayden den Befehl geben, noch vor Tagesanbruch hinaus aufs offene Meer zu segeln, um nicht in Sichtweite des französischen Hafens in eine Flaute zu geraten.
    Im Augenblick indes mussten sie auf diesen verfluchten » Monsieur Benoît« warten, der, falls er in die Hände der Behörden geraten war, leichtfertig Zeitpunkt und Ort des Zusammentreffens preisgeben könnte. Dann würden sich französische Schiffe der vereinbarten Position nähern, und genau das löste eine gewisse Unruhe in Hayden aus.
    »Können Sie den Küstenverlauf sehen, Kapitän?«, erkundigte sich der Master mit ungewohnt dünner Stimme. »Ich fürchte, wir sind ein wenig nach Osten abgetrieben. In so einer dunklen Nacht hat ein Schiff hier nichts verloren, sag ich. Wenn die Seine mit der Flut anschwillt, können die Strömungen ins Inland drehen. Oft hält der hohe Wasserstand dann an. Ich habe schon erlebt, wie Strömungen ein Schiff abgetrieben haben, obwohl der Steuermann ganz andere Voraussagen gemacht hat. Eine verdammt gefährliche Situation, Kapitän. Bin gar nicht zufrieden damit.«
    »In diesem Punkt bin ich ganz Ihrer Meinung, Mr Barthe, aber wir haben keine Wahl.« Hayden drehte sich um, schaute hinauf ins Rigg und rief dann mit gedämpfter Stimme:
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