Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zu feindlichen Ufern - [3]

Zu feindlichen Ufern - [3]

Titel: Zu feindlichen Ufern - [3]
Autoren: Bastei Lübbe
Vom Netzwerk:
Barthe.«
    »Das Rigg ist tadellos, Sir, einwandfrei, möchte man sagen. Und unsere Segel sind bereit, Sir, aber …« Der Master zögerte.
    »Würden Sie den Satz bitte zu Ende führen, Mr Barthe? Ich kann die Spannung kaum noch ertragen.«
    Barthe lächelte. »Wenn wir heute noch nicht in See stechen, Sir, dann würden Mrs Barthe und meine Töchter gern einmal unser Schiff in Augenschein nehmen. Mr Wickham hat uns freundlicherweise ein Boot zur Verfügung gestellt, um die Damen zum Schiff zu rudern, wenn das für Sie akzeptabel wäre, Sir.«
    »Hat Mr Archer Sie noch nicht wissen lassen, dass wir noch unsere Pulverbestände auffüllen müssen?«
    Barthe wirkte erstaunt. »Nein, Sir, davon hat er mir nichts gesagt.«
    »Für mich unerklärlich«, erwiderte Hayden. »Die Pulverbarkasse soll heute Nachmittag anlegen. Ich hoffe immer noch, dass wir morgen bei Tagesanbruch den Anker lichten können und zur Frühmahlzeit im Ärmelkanal sind.«
    Der Master ließ sich seine Enttäuschung nicht anmerken. »Vielleicht – vielleicht hat Mr Archer mich doch über die Pulverbarkasse informiert, Sir.«
    »Mr Barthe, für mich ist es offensichtlich, dass Sie versuchen, Mr Archers Nachlässigkeit zu vertuschen. Aber ich werde ihn deswegen zur Rede stellen müssen. Was nun Ihre Frau und Ihre Töchter anbelangt, Mr Barthe, so tut es mir leid, dass sie unserem Schiff keinen Besuch abstatten können. Bitte bestellen Sie Mrs Barthe, dass ich es bedaure. Und erklären Sie ihr auch, warum ich sie nicht an Bord kommen lassen kann. Ich möchte nicht, dass Ihre Frau das Gefühl hat, hier nicht willkommen zu sein.«
    »Richte ich ihr aus, Sir. Danke, Sir.«
    Barthe zwängte sich mit seinem Leibesumfang aus der Kabinentür. Hayden ahnte, dass die Männer enttäuscht sein würden, wenn sie erführen, dass Mrs Barthe nicht mit ihren hübschen Mädchen an Bord kommen würde. Selbst Hayden verspürte ein wenig Verdruss.
    Er gab seinem Master ein wenig Zeit, sich von der Kajüte zu entfernen, und öffnete dann die Tür. »Ich muss Mr Archer sprechen. Rufen Sie ihn, wenn ich bitten darf«, wandte er sich an den Seesoldaten.
    In diesem Augenblick fiel Haydens Blick auf die Schreibarbeit, die in kleineren Stapeln auf seinem Pult lag. Wenn er sich doch wenigstens für fünf Minuten gedanklich auf diese Unterlagen einlassen könnte, anstatt immer wieder über Henrietta und die eigene belastende finanzielle Situation nachzudenken!
    Ein zurückhaltendes Klopfen verriet die Ankunft von Mr Archer. Nach einem »Herein« trat der Leutnant rasch ein. »Es tut mir leid, Sir«, begann er eher hastig. »Das ist allein mein Fehler, dass ich es Mr Barthe nicht gesagt habe.«
    »Ein schwerwiegendes Versäumnis, Mr Archer. Wie soll Mr Barthe seine Arbeit machen, wenn ihm wichtige Informationen vorenthalten werden?«
    »Ich weiß es nicht, Sir. Es soll nicht wieder vorkommen.«
    »Das will ich hoffen. Die Feuer an Bord sind alle gelöscht?«
    Archer war bemüht, sich durch die Frage nicht beleidigt zu fühlen, konnte dies indes nur schlecht kaschieren. »Alle Feuer bis auf das Licht im Vorraum zur Pulverkammer, Sir. Ich habe angeordnet, feuchte Laken dort aufzuhängen.«
    »Gehen Sie durch alle Decks und sorgen Sie dafür, dass nirgends mehr ein Feuer glüht, Mr Archer. Sollten Besucher an Deck sein, so wollen wir ja nicht, dass sie mit uns in die Luft fliegen, nicht wahr?«
    »Ja, Sir, gewiss, Sir.«
    »Dann an die Arbeit, Mr Archer.«
    Mit steifen Schultern verließ der Leutnant die Kajüte. Hayden fühlte sich zwar nie wohl in der Rolle des verärgerten Kapitäns, aber im Lauf der Jahre war er zu der Überzeugung gelangt, dass es den jungen Offizieren guttat, gelegentlich ermahnt zu werden. Auf diese Weise wurden sie noch einmal eindringlich an ihre Pflichten erinnert. Als junger Offizier hatte Hayden jedenfalls diese Erfahrung gemacht.
    Archer war gewiss für ein oder zwei Tage in seinem Stolz verletzt, aber er würde die Schelte verkraften und gestärkt daraus hervorgehen. Einen Moment lang fragte sich Hayden, ob es an der eigenen Unzufriedenheit oder an den Sorgen im Hinblick auf seine Karriere liegen mochte, dass er in letzter Zeit schnell gereizt war. Ja, bereits bei geringen Anlässen stieg Zorn in ihm auf. Andererseits war Archers Versäumnis nicht unbedeutend. Hayden hatte ihn zurechtweisen müssen. Der Leutnant hatte die verdammte Pflicht, den Master davon in Kenntnis zu setzen, dass die Pulverbarkasse angekündigt war. Was hatte sich der Mann bloß
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher