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Zu feindlichen Ufern - [3]

Zu feindlichen Ufern - [3]

Titel: Zu feindlichen Ufern - [3]
Autoren: Bastei Lübbe
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dabei gedacht?
    »Vielleicht hat er sich von seinen Privatangelegenheiten ablenken lassen«, sagte Hayden halblaut vor sich hin. »Wie du selbst, Kapitän.«
    Einen Moment gönnte er sich etwas Ruhe auf der Bank vor der Heckgalerie und spürte förmlich, wie er sich mit seinen Gedanken von seinen Pflichten löste und sich fragte, ob Henrietta seinen Brief bekommen würde – und auch lesen würde. Seine größte Sorge war, dass sie ihn womöglich gleich verbrannte oder im Zorn wegwarf, war sie doch in dem Glauben, Hayden habe sie durch treuloses Verhalten hintergangen – es hieß, er habe eine französische émigrée geheiratet.
    Es trieb ihn an den Rand der Verzweiflung, dass es ihm nicht vergönnt gewesen war, unter vier Augen mit Henrietta zu sprechen. Wie schnell hätte er sämtliche Missverständnisse aus dem Weg räumen können. Aber in London hatte er sie nirgends angetroffen. Und weder Lady Hertle, Henriettas Tante, noch Mrs Hertle, ihre Cousine und Vertraute, hatten sich bereit erklärt, mit ihm zu sprechen.
    Wieder klopfte es an die Tür, und erneut wurde Hayden aus seinen allzu vertrauten Gedanken gerissen.
    »Boot kommt längsseits mit Befehlen vom Hafenadmiral«, verkündete Midshipman Gould, als er die Tür aufmachte.
    Hayden wehrte sich gegen die Abgespanntheit und das Gefühl ständiger Belastung und kletterte schnell die Leiter hinauf an Deck. Dort traf er auf Leutnant Ransome, der in Gegenwart eines jungen Offiziers gleichen Ranges einen etwas unwirschen Ton anschlug. Hayden kannte den jungen Mann nicht.
    Sichtlich empört wandte sich Ransome an Hayden. »Der Hafenadmiral benötigt Ihre Unterschrift, Kapitän. Meine genügt offenbar nicht.« Leutnant Ransome, der auf Betreiben keines Geringeren als Admiral Lord Hood an Bord gekommen war, hatte die Angewohnheit, sich allzu schnell in seinem Stolz verletzt zu fühlen. Ein Charakterzug, der Hayden ärgerte – insbesondere an diesem Tag.
    Wortlos unterzeichnete Hayden die Unterlagen und stellte fest, dass es sich nicht nur um Anordnungen des Hafenadmirals handelte, sondern dass auch ein Brief der Admiralität beilag. Da er das Bedürfnis verspürte, sich zu setzen, begab er sich rasch wieder unter Deck in seine Kajüte.
    Kurz darauf saß er an seinem Schreibpult, blickte auf die beiden Briefe und überlegte, welchen er zuerst öffnen sollte. Er hielt es für wahrscheinlich, dass ein Schreiben der Admiralität schlechte Nachrichten enthielt.
    Hätte der Hafenadmiral mir doch die Erlaubnis zum Auslaufen gegeben! , dachte Hayden.
    Er überlegte noch einen Moment, spürte, dass ihm alle möglichen Gedanken im Kopf herumwirbelten und entschied sich dann doch für das Schreiben der Admiralität. Der Brief stammte von Philip Stephens und wies die Kennzeichnung »Streng vertraulich« auf.
    Mein verehrter Kapitän Hayden,
    Sie erhalten hiermit den Befehl, sich bei der nächstbesten Gelegenheit – was Wind und Wetter betrifft – in der Nacht vom 12. April mit der HMS Themis vor den Hafen von Le Havre zu begeben. Gegen zwei Uhr in der Früh am Morgen des 13. Aprils nehmen Sie eine Position ein, die nicht weiter vom Festland entfernt sein darf als eine Meile, und setzen ein einzelnes Lichtsignal, welches von der Küste aus für eine halbe Stunde zu sehen sein muss.
    Daraufhin wird von der Küste ein Boot ablegen und einen Mann an Bord rudern, der sich Ihnen als »Monsieur Benoît« vorstellen wird. Dieser Mann verfügt über vertrauliche Informationen, die für den gegenwärtigen Krieg von höchster Bedeutung sind. Diese Nachrichten müssen die Admiralität schnellstens erreichen, wobei sichergestellt werden muss, dass die Identität des Überbringers nicht bekannt wird. Sollte diese Aufgabe mit anderen Befehlen kollidieren, die Sie von mir erhielten, so teile ich Ihnen hiermit mit, dass die Begegnung mit Monsieur Benoît und die Überbringung der Nachrichten an die Admiralität Vorrang haben. Über diesen Einsatzbefehl informieren Sie Ihre Offiziere vorerst nicht. Sie weihen Ihre Leute erst später ein, und nicht, bevor Sie in See stechen und außer Sichtweite unserer Küste sind.
    Der Brief war mit »Philip Stephens, Erster Sekretär« unterzeichnet. Hayden legte das Schreiben auf sein Pult und fluchte dann so vernehmlich, dass der wachhabende Seesoldat es gewiss gehört hatte.
    Das sah der Admiralität wieder einmal ähnlich! Hayden erhielt neue Instruktionen, die die Ausführung der ursprünglichen Mission erschwerten oder gar unmöglich machten. Er war
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