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Zu feindlichen Ufern - [3]

Zu feindlichen Ufern - [3]

Titel: Zu feindlichen Ufern - [3]
Autoren: Bastei Lübbe
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»Mr Wickham? Können Sie die Küste ausmachen? Sind wir gen Osten abgetrieben?«
    »Wir halten unsere Position recht gut, Kapitän.« Wickhams Antwort kam so leise, dass die Worte fast nur zu erraten waren. »Ich sehe Lichter an Land. Beruhigen Sie Mr Barthe in diesem Punkt. Alles ist gut.«
    »Das Beiboot ist nirgends zu sehen?«
    »Nein, Sir.«
    »Irgendein anderes Boot?«
    »Nein, nichts, Sir.«
    Hayden fluchte leise, richtete den Blick noch einmal nach oben und wandte sich wieder der Reling zu. Wolkenfetzen glitten über einen milchigen Mond und ließen kaum Licht aufs Wasser.
    »Na, mir gefällt’s trotzdem nicht«, brummte Barthe gereizt. »Mit Verlaub, Sir …«
    Hayden gab mit einem Nicken seine Zustimmung, worauf der Master in Richtung Bug watschelte, um die Segelführung zu kontrollieren.
    Hayden trat an das Nachthaus, das den Kompass und Lampen enthielt. Das Licht darin war gedimmt worden. Er holte seine Uhr hervor – kurz vor zwei in der Früh. »Schicken Sie den Profos zu mir«, befahl er einem der Matrosen.
    Sogleich machte sich Hayden erneut daran, in die Dunkelheit zu spähen. Einen Moment lang glaubte er, das charakteristische Eintauchen der Riemen ins Wasser zu hören, aber nirgends war ein Boot zu erahnen. Schließlich gingen die Laute in den vertrauten Geräuschen der Wellen unter.
    »Sir?« Aus der Dunkelheit an Bord schälte sich der kleine Profos.
    »Wir lassen diese Lampe exakt eine halbe Stunde brennen«, ordnete Hayden an.
    »Aye, Sir.«
    Das für den französischen Spion gedachte Signallicht wurde entzündet, flackerte kurz und spendete dann ein mattes Licht. Im selben Moment befürchtete Hayden, die Themis könnte zum Ziel der Geschütze an Land oder der Schiffe werden, die irgendwo dort draußen in der Dunkelheit lauerten.
    Abermals vermochte er nicht, sich auf die gegenwärtige Situation zu konzentrieren, sondern merkte, dass es ihn gedanklich schon wieder zu jenen Schwierigkeiten zog, die bei seiner letzten Rückkehr nach England über ihn hereingebrochen waren. Finanzielle Sorgen und rechtliche Unklarheiten waren eine Sache. Viel schwerer wog hingegen die Entfremdung von Henrietta, eine Entwicklung, die Hayden ständig Kummer bereitete und ihn von seinen Pflichten ablenkte. Er musste einen Weg finden, um wieder in England sein zu können. Er musste mit Henrietta sprechen und ihr erklären, was sich wirklich zugetragen hatte. Die Gerüchte um Madame Bourdage und deren Tochter ließen sich leicht aus der Welt schaffen, wenn Henrietta ihm nur Gehör schenkte.
    Du darfst deine Pflichten nicht vernachlässigen, dachte Hayden. Die Sicherheit von zweihundert Seelen hängt ab von deinen Entscheidungen, die du mit klarem Verstand treffen musst.
    Aber seine geistige Verfassung ließ zu wünschen übrig, hinzu kam der Schlafmangel, der Hayden obendrein Kräfte raubte. Das alles waren seine privaten Sorgen. Jetzt befürchtete er zudem, er könne im gegenwärtigen Zustand eine falsche Entscheidung treffen, die seine Crew in Gefahr brachte.
    Am Niedergang tauchte Archer auf, schaute sich gleichsam verwirrt um, erblickte dann Hayden und kam sofort zu ihm.
    »Ah, Mr Archer, da sind Sie ja. Konnten Sie schlafen?« Hayden versuchte, sich seine Bedenken und Sorgen nicht anmerken zu lassen.
    »Eher schlecht, Sir.«
    Da Archer meistens unausgeschlafen wirkte, vermochte Hayden nicht zu sagen, ob seine Worte der Wahrheit entsprachen.
    »Noch nichts von Mr Ransome zu sehen, Sir?«, fragte der Leutnant.
    »Nein«, kam es einsilbig von Hayden.
    Archer schien einen Moment lang nachzudenken. »Was werden wir tun, wenn er bis Einbruch der Dämmerung nicht zurück ist?«
    »Ich fürchte, dass wir dann davon ausgehen müssen, dass er das Pech hatte, Gast der Franzosen zu werden. In dem Fall können wir nur hoffen, dass er unsere Absichten nicht preisgibt und nicht die Position der Themis verrät.«
    »Die Franzosen werden sich denken können, dass er nicht über den Ärmelkanal gerudert ist, Sir. Daher frage ich mich, was für Mutmaßungen sie anstellen werden.«
    »Oh, alle möglichen, Mr Archer. Dass er zur Küste kam, um einen Spion zu treffen. Oder dass er einen Spion dort abgesetzt hat. Wir können nur hoffen, dass die Franzosen glauben, er habe ein Schiff im Hafen beschädigen wollen. Denn wenn sie davon ausgehen, dass er Kontakt zu einem Spion aufnimmt, werden sie alles daransetzen, den Namen des Mannes aus ihm herauszupressen.« Allerdings kannte bislang nur Hayden den Namen des Spions – und das war
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