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Zu feindlichen Ufern - [3]

Zu feindlichen Ufern - [3]

Titel: Zu feindlichen Ufern - [3]
Autoren: Bastei Lübbe
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gewiss nicht sein echter Name.
    Hayden musste aufstoßen, verspürte einen bitteren Geschmack im Mund und schluckte rasch, worauf er ein Brennen im Hals verspürte. Sein Magen machte ihm zu schaffen.
    »Kapitän?«, vernahm er ein Flüstern in unmittelbarer Nähe.
    »Wer da?«, antwortete Hayden auf Französisch.
    »C’est moi, Benoît.«
    »Kommen Sie an Bord, Monsieur.«
    Hayden konnte die Männer erst jetzt erahnen. Einer saß an den Ruderriemen, der andere in der Heckducht. Hayden wartete oben an der Jakobsleiter, flankiert von zwei Seesoldaten, die ihre Musketen bereithielten. Ein kleiner, kräftiger Mann stieg an Bord und ließ den anderen im Boot zurück. Der Fremde war wie ein Fischer gekleidet, trug aber einen breitkrempigen Hut, der das Gesicht im Schatten beließ.
    »Sollen wir uns unter Deck begeben, Monsieur?«, fragte Hayden erneut auf Französisch.
    »Gehen wir kurz zum Achterdeck«, sagte der Fremde und beäugte die Seesoldaten kritisch. »Ich werde Ihre Zeit nur kurz in Anspruch nehmen.«
    Mochte der Fremde auch wie ein Fischer aussehen, der geschliffenen Sprechweise entnahm Hayden indes, dass Benoît eine gute Erziehung genossen hatte. Als sie die Heckreling erreichten, bedeutete Hayden den Seesoldaten, sie mögen sich im Hintergrund aufhalten, damit er mit dem Fremden unter vier Augen reden konnte.
    »Ihr Französisch ist sehr gut«, stellte Benoît fest, und Hayden spürte, dass dieser Umstand den Fremden leicht verunsicherte.
    »Ich verbrachte einige Jahre in Frankreich, als ich noch ein Junge war – bei Verwandten.« Während er sprach, öffnete er die Laterne und löschte das Signallicht. Er spürte, dass ihn ein Gefühl großer Erleichterung durchströmte.
    »Sie sind also Franzose?«, forschte der Mann vorsichtig abwartend nach.
    »Mein Vater stammt aus England. Er war Offizier zur See. Ich stehe treu zu dieser Nation, aber ich habe große Sympathien für Ihr Volk, Monsieur.«
    Der Fremde ließ die Worte auf sich wirken.
    »Haben Sie einen Brief für mich?«, fragte Hayden unvermittelt.
    »Ich vertraue nichts dem Papier an. Zu vielen Leuten wurde das bereits zum Verhängnis.« Benoît schien einen Augenblick lang zu überlegen, als zweifele er an Hayden, doch dann fuhr er fort: »In Cancale wird eine große Streitmacht zusammengezogen, wie ich schon zuvor berichtete. Aber ich irrte mich, was den Zielort anbelangt – und die Truppenstärke. Mehr als hundertfünfzig Transportschiffe, fünf oder sogar sechs Kriegsschiffe, zwei Razees und fünf Fregatten liegen dort. Im Augenblick stehen fünfundzwanzigtausend Mann bereit, aber bald werden es hundertfünfzigtausend sein.«
    Hayden fluchte laut – er konnte es nicht unterdrücken.
    »Die Kanalinseln dürften das erste Ziel dieser Armada sein, wie ich Ihre Leute wissen ließ, aber das eigentliche Ziel lautet, dass sie mit einer Armee in England landen wollen.«
    »Sind Sie sicher? Steuern sie nicht eher Irland an?«
    »Ich kann Ihnen nicht sagen, woher ich es weiß, aber diese Information ist zweifellos richtig.«
    Nun nahm sich Hayden einen Augenblick Zeit zum Überlegen. »Für wann ist diese Invasion geplant?«
    »Schon bald. Sobald Ihre Kanalflotte auf hoher See ist oder die Flotte besiegt oder entscheidend geschwächt wurde. Dann hätte die französische Flotte die Kontrolle über den Kanal. Man braucht nur noch den richtigen Wind, und schon kann man eine ganze Armee an einem Tag nach England transportieren.«
    Hayden hatte das Gefühl, von einer plötzlichen Krankheit befallen zu sein. Er fühlte sich unwohl und wollte am liebsten den Mantel ablegen oder zumindest das Halstuch lockern. Ihm brach der Schweiß aus, und es wurde ihm so heiß, dass ihn schwindelte.
    »Sie müssen diese Informationen an Ihre Admiralität übermitteln, Capitaine . Auf der Stelle.«
    »Ich bin Ihrer Meinung, Monsieur . Nichts ist im Augenblick dringlicher.«
    »Dann möchte ich mich verabschieden.« Benoît machte eine kleine Verbeugung und schritt wieder zur Jakobsleiter. Er war fast über die Reling geklettert, als er noch einmal innehielt. »Ihnen viel Glück, Captain «, fügte er in Englisch hinzu.
    »Ihnen auch, Monsieur .«
    Der Mann kletterte hinab in das Boot, und nach drei kräftigen Ruderschlägen mit den umwickelten Riemen verschmolz das Boot mit der Dunkelheit.
    Hayden blieb noch einen Moment stehen und starrte auf das schwarze Wasser – fassungslos wie ein Mann, der soeben die Nachricht vom Tode eines geliebten Menschen erfahren hatte. Sein Geist
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