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Zu feindlichen Ufern - [3]

Zu feindlichen Ufern - [3]

Titel: Zu feindlichen Ufern - [3]
Autoren: Bastei Lübbe
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Gefühle immer für den richtigen Moment auf, und dann lebe ich sie aus, glauben Sie mir. Denn meine Laune soll nicht durch unnötige Anlässe überstrapaziert werden.« Der Leutnant der Seesoldaten erhob seine Kaffeetasse, als wollte er dem Doktor zuprosten. »Ich glaube nicht, dass wir in dieser Nacht noch mit einem Gefecht rechnen müssen.«
    Der Schiffsarzt wandte sich an Hayden. »Sind Sie auch dieser Meinung, Kapitän?«
    »Also, mir ist es immer recht unangenehm, wenn ich sehe, wie schlecht ich die Zukunft voraussagen kann. Das scheinen alle anderen besser zu können.«
    »Gelegentlich«, merkte Hawthorne an.
    Griffiths lächelte nicht und schien die Andeutungen ernst zu nehmen. »Vielleicht sollte man bei der Offiziersausbildung die Wahrsagerei mit auf den Lehrplan nehmen«, sagte er. »Wird dieses französische Schiff denn nun noch in dieser Nacht in den Hafen zurückkehren? Vorausgesetzt, es ist überhaupt ausgelaufen.«
    »Ich glaube nicht, dass der Franzose es drauf ankommen lässt, unseren Kreuzern bei Tage zu begegnen. Und es könnte sein, dass er eine Prise ins Auge gefasst hat, die er um jeden Preis kapern will. Ja, wenn sie aufgebrochen sind, um unsere Handelswege zu stören, dann dürfte die Fregatte im Morgengrauen zurückkehren, sofern der Wind günstig steht.«
    »Da Sie wie kein Zweiter die unnachahmliche Fähigkeit besitzen, sich in das Denken eines französischen Marineoffiziers hineinzuversetzen, vermute ich, dass wir recht bald auf Gefechtsposition sein werden.« Griffiths leerte seine Kaffeetasse und klopfte dann auf den Ledereinband seines Buchs. »Um die Nerven zu beruhigen, gibt es nichts Besseres als einer Meinung mit der Obrigkeit zu sein. Wenn Sie mich entschuldigen würden, ich muss zu meinem Patienten.« Er erhob sich, dachte gerade noch rechtzeitig an den Decksbalken und verließ in gebückter Haltung die Messe.
    Hayden wandte sich dem Leutnant der Seesoldaten zu, der dem Schiffsarzt nachsah. In seinem Lächeln lagen Zuneigung und Belustigung. »Kommt es Ihnen auch so vor, dass es ihm gesundheitlich besser geht, Mr Hawthorne?«
    »Ein wenig, ja. Trotzdem, er ist noch nicht wieder ganz der Alte. Noch nicht.« Hawthornes Miene wurde ernst, als er fortfuhr: »Hat er Ihnen gesagt, dass sein Mündel nach England unterwegs ist?«
    »Von welchem Mündel sprechen wir hier?«
    »Von der jungen Frau, die nur eine Hand hat.«
    »Ah, Miss Brentwood?«
    »Ja, ich glaube, so heißt sie.«
    »Hat Griffiths das veranlasst?«
    »Und für die Reise bezahlt, vermute ich.«
    »Hatte er nicht vor, der Dame eine Stellung in Gibraltar zu besorgen?«
    »In der Tat, aber er ist der Ansicht, dass es in England sicherer für sie ist. Denn dort kann er sich schneller vergewissern, wie es ihr geht.«
    Hayden wurde nachdenklich. »Ich frage mich, ob das die Sache erklärt«, sagte er schließlich. »Ist unser guter Doktor etwa dem Zauber dieser unglückseligen Frau erlegen?«
    Hawthorne hob die Schultern, und ein Ausdruck von Sorge lag in seinen Augen. »Wenn man über die fehlende Hand hinwegsieht, war sie doch hübsch – finden Sie nicht?«
    »Ja, eine überaus hübsche junge Frau, Mr Hawthorne, aber …« Hayden beschloss, nicht weiter über die Beweggründe des Schiffsarztes zu spekulieren. Außerdem war es nicht seine Aufgabe, das Handeln von Dr. Griffiths zu beurteilen.
    »Ich bin sicher, meine Bedenken unterscheiden sich nicht groß von Ihren«, stellte Hawthorne fest und nickte. »Hoffen wir, dass unserem Doktor nichts widerfährt. Ich glaube, sein Herz ist anfälliger als seine Gesundheit.«
    »Trinken wir auf ihn«, stimmte Hayden an und erhob seine Tasse.
    Der Leutnant der Seesoldaten lehnte sich in seinem Stuhl zurück. »Wie ich hörte, hatten wir heute Nacht einen geheimnisvollen Besucher an Bord.«
    »Wissen die Männer von meiner Unterredung mit diesem Mann?«
    »Sie wissen nur, dass ein Franzose an Bord kam und mit Ihnen sprach, Sir. Um was es ging, ist niemandem bekannt. Natürlich wird nun viel spekuliert, um was es in dieser Unterredung gegangen sein mag, aber mehr auch nicht.«
    Hayden überlegte, ob er Hawthorne ins Vertrauen ziehen sollte, wie er es früher immer gemacht hatte. Die Versuchung war groß, da er eine Entscheidung treffen musste und sich, um die Wahrheit zu sagen, nicht sicher war, wie er sich verhalten sollte. »Wie es aussieht, Mr Hawthorne, stellen die Franzosen bei Cancale eine Armee zusammen und planen eine Invasion.«
    »Das hört sich eher schwarzseherisch an. Wir
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