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Zorngebete

Zorngebete

Titel: Zorngebete
Autoren: Sabine Heymann
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vom Propheten, Friede seiner Seele, der siebenundzwanzig Tage und siebenundzwanzig Nächte mit einer seiner Frauen im Zelt geblieben war, das war Maria, die Koptin. Um einander zu genießen, zu lieben und sich gegenseitig Lust zu bereiten. Ich konnte es nicht fassen. Mir war zum Weinen zumute. Er hatte auch gesagt, für ihn gebe es im Leben drei Dinge, die er vor allem liebte: »Die Frauen, das Parfum und das Gebet«. Die Frauen hatte er an die erste Stelle gesetzt und das Gebet an die dritte. Am Schluss habe ich geweint. Vor Glück. Eines Tages werde ich es vielleicht wagen, meinem Mann all das in Erinnerung zu rufen. Aber man soll nichts überstürzen.
    Heute Abend tue ich etwas, was ich in zwei Jahren Ehe noch nie getan habe. Ich bin im Bett mit meinem Mann, ich nehme seinen Schwanz in die Hand und spiele damit. Er ist überrascht, normalerweise penetriert er mich und danach schlafen wir ein. Aber jetzt bewege ich ihn in alle Richtungen, liebkose und massiere ihn. Ich tue meinem Mann etwas Gutes. Ganz einfach so.
    Seit dem Unfall verstehe ich mich auch besser mit den beiden anderen Ehefrauen. Was wieder einmal beweist, dass es manchmal ausreicht, ein einziges Glied aus einer Kette zu eliminieren, und plötzlich geht alles besser.
    Warum soll ich mich nicht dazu entschließen, das zu schätzen, was ich im Augenblick habe? Und nett zu meinem Mann zu sein? Vielleicht ist das die Botschaft, die Allah mir sendet. Mich mit dem zufriedenzugeben, was ich habe. Und es zu schätzen zu wissen. Und zu sagen
al hamdoulilah
, selbst wenn noch nicht alles da ist. Ich fange damit an, indem ich meinen Mann liebe. Wenn alles normal verläuft, wird er mir das vergelten. Ich werde mich um das Haus und um meine Familie kümmern. Das ist es, was ich zu tun beschließe. Ich werde aufhören, etwas anderes zu wollen als das, was ich habe. Vielleicht werde ich so glücklich sein.
    Und so ist es auch. Zur Zeit bin ich glücklich. Außerdem hat mir mein Mann zwei neue Zähne geschenkt, ich bin wieder hübsch geworden. Ich habe es Ihnen ja gesagt, er würde es vergelten.
    Danke, mein Mann.
    Ich hätte nie geglaubt, dass das möglich ist, aber er und ich, wir werden mehr und mehr zu Komplizen. Manchmal fragt er mich nach meiner Meinung, und häufig bringen ihn meine Antworten herzhaft zum Lachen. Er sagt, ich sei verrückt, und das sei erfrischend für ihn. Und er fragt mich immer weiter, obwohl das alles natürlich unter uns bleiben muss, wegen seiner Position. Und zunehmend wage ich es, ihm zu sagen, was ich denke. Was ich wirklich denke, meine ich. Ohne Tabus. Aber immer mit Respekt. Immerhin ist er der in ganz Sidi Barzouk hochverehrte Imam.
    Sidi Barzouk, das ist da, wo ich wohne. Es ist das ganz arme Viertel von Kablat. Ich wohne im annehmbarsten Haus des Viertels, und damit habe ich wirklich Glück. Die übrigen Häuser sind alte, von Ratten und Kakerlaken heimgesuchte ehemalige Pferdeställe. Bei uns gibt es zwar auch welche, aber viel weniger. Die Frauen kümmern sich, so gut es geht, um ihre Kinder und ihre Kochtöpfe, und die jungen Männer stehen gelangweilt herum und hängen ab mit ihren Plastik-
Mikes
. Sie tragen
Lakoste
, aber an unseren Jugendlichen hängen selbst die Krokodile schlaff herunter, ihr Schwanz zeigt nach unten.
    Es gibt keine Hoffnung in unseren Straßen ohne Gehsteige. Es gibt nur Ratten in diesem Labyrinth ohne Ausgang. Und manchmal die Polizei. Dieses trostlose Spektakel sehe ich jeden Tag, wenn ich im Lebensmittelgeschäft meine Einkäufe mache. Ich, die Frau des Imam. Der man Früchte und Kredit anbietet. Ich hasse meinen Schleier, aber darunter kann ich jederzeit weinen. Dieses Elend beweinen, dem ich gerade mal so entkommen bin, mit dem ich aber trotz allem in Berührung bleibe. Diese Jugend hier beweinen, die mir ähnelt und die auch die meine wäre, wenn das Schicksal es nicht anders mit mir vorgehabt hätte, diese leeren Blicke beweinen, die nichts erwarten. Außer vielleicht, dass Sie eines Tages kommen und sich an ihren Platz setzen, um zu verstehen, dass es unhaltbar ist und dass etwas getan werden muss. Versuchen Sie es. Nur eine Minute. Sie schaffen es nicht? Versuchen Sie es noch einmal. Ich werde Ihnen helfen. Sehen Sie, wie nervtötend es ist, auf einen Bus mit Verspätung zu warten? Okay, und nun stellen Sie sich vor, dass dieses Warten das ganze Leben lang andauert. Sie schaffen es immer noch nicht? Wir dagegen können uns Ihr Leben vorstellen. Ziemlich leicht sogar.
    Radieren Sie die Ratten
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